WAG THE DOG von Barry Levinson :: ab 26. März

Nachts. Das Weiße Haus in der Totalen. Langsam zoomt die Kamera darauf zu. Schnitt. In einer Empfangshalle wird ein Mann vom Sicherheitspersonal abgetastet Zwei Frauen verfolgen von oben die Prozedur. Conrad Brean, flüstert die eine. Er werde Mister Alleskleber genannt. Schnitt. Knappe Begrüßung, dann eilen alle drei schmale Gänge entlang und eine Treppe hinunter. Dabei wechselt die Kameraeinstellung in schneller Schnittfolge von den Gesichtern auf die Füße, bis jene Personen einen großen, abgedunkelten Raum betreten und sich zu einer Gruppe an einen Konferenztisch setzen. Die Anfangssequenz soll suggerieren, die folgenden Szenen würden im Weißen Haus spielen. Das ist Standard seit Stummfilmzeiten, der kaum auffallt, weil er unsere Sehgewohnheiten infiltriert hat Natürlich wissen wir, da es ein amerikanischer Kinofilm ist, daß sie in irgendeinem Studio Hollywoods gedreht wurden. Oder glauben wir, es zu wissen? Die Füße auf der Treppe führen in einen Raum, der beliebig und überall sein könnte. Und „Wag The Dog“ führt so immanent exemplarisch vor, was er verhandeln will: Sind die Bilder, die täglich ausgestrahlt werden, wirklich das, was sie vorgeben zu sein?

Diese Frage ist bereits mit der von Robert De Niro dargestellten Figur Brean beantwortet. Mit Vollbart, roter Fliege, Blazer, Jeans, billigen Tretern und einer Hängetasche, die er nicht einmal öffnet, wirkt er harmlos und unmodisch wie das Allgemeinbild vom zerstreuten Professor. Es ist die Maske des Manipulators, der als Söldner der Desinformation sogar die CIA davon überzeugt, ihre Satellitenbilder seien falsch – also auch den Schwanz mit dem Hund wedeln lassen könnte. So einen braucht nun der US-Präsident kurz vor der aussichtsreichen Wiederwahl. Ein minderjähriges Mädchen, das mit ihrer Schulklasse das Weiße Haus besichtigt hat, war mit dem Präsidenten für drei Minuten allein gewesen und behauptet, währenddessen von ihm sexuell belästigt worden zu sein. „Die Wahrheit ist unwichtig“, sagt Brean. „Das macht Schlagzeilen.“

Denn das ist auch die Losung seines Gegenschlags: „Was ist mit dem B-3-Bomber?“ – „Es gibt keinen B-3-Bomber.“ – „Eben. Geben sie an die Presse, der B-3-Bomber könne nicht getestet werden. Wegen der Krise.“ – „Was für eine Krise?“ – „Daran arbeite ich noch.“ Mit der staunenden Präsidentenberaterin Arnes (Anne Heche) reist Brean nach Hollywood zu Motss, einem Produzenten alter Schule, von Dustin Hoffman herrlich mit eitler Schwatzhafügkeit und kapriziöser Schlitzohrigkeit gespielt Brean will von Motss einen Krieg der willigt ein, nachdem er per Handy dem Sprecher des Weißen Hauses bei einer Liveübertragung eine pathetische Grußbotschaft diktieren durfte. Motss strahlt, dann plärrt er verärgert: „Er hat falsch betont. Er hat den Satz nicht verkauft!“

Eine tour de farce beginnt: Motss heuert einen windigen Trendslogan-Guru (Denis Leary) und den knorrigen Songwriter Johnny Grean (Willie Nelson!) an und spinnt ein Szenario über Terroristen in Albanien und eine nukleare Kofferbombe zusammen. Wie bei Werbeclips läßt er ein Mädchen im Folklorekleid vor einer Blue Screen laufen, die Aufnahme digital in Bilder eines zerstörten Ortes einsetzen und an CNN lancieren. Selbst als der rivalisierende Präsidentenschaftskandidat kontert und im Fernsehen erklärt, der Krieg sei vorbei, gibt Motss nicht auf: „Er kann ihn nicht beenden“, schimpft er. „Ich habe ihn produziert!“

Weil im Auflagen- und Quotenkrieg die Informationen so panisch zirkulieren, daß die Wahrheit kaum mitkommt, werden die Medien zu Tätern und Opfern von Strippenziehern wie Brean. Filme wie „Der Kandidat“, „Power“, „Network“ und „Bob Roberts“ haben das eindringlicher oder satirisch subtiler erfaßt. „Wag The Dog“ ist ihr närrischer Brudet; ein Destillat aus Fakten und Fiktion der „Akte X“-Ära, vom Golfkrieg bis zu Oliver Stones Verschwörungskino. Ähnlich Motss hat Barry Levinson seine überpointierte Burleske in vier Wochen abgedreht. Die Figuren sind als Klischees zugleich ihre Karikatur – und so gut, daß alles ebenso glaubhaft sein kann wie gelogen. Erstaunlich sind die Parallelen zu Bill Clintons womangate. Und hat jemand die Übersicht verloren, als er im Presseheft von einer „Praktikantin“ schrieb, wie Monica Lewinsky es war? Meint man es böse und nimmt die Mechanismen im Film ernst, könnte die Clinton-Affäre vom Produzenten inszeniert worden sein. „Wag The Dog“ stieß auf mäßiges Interesse, bis der Sexskandal ruchbar wurde. Mit der Irak-Krise stiegen Clintons Werte, „Wag The Dog“ fiel wieder in den Charts. Wer weiß es schon. Don’t trust me.

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