Waterworld von Kevin Reynolds
ab 21. September Am Wochenende war ‚Weltuntergang. Die Amerikaner stürmten in die Kinos, um „Waterworld“ zu sehen, das lange erwartete, vermeintlich endgültige Waterloo von Kevin Costner. Der Ansturm blieb übersichtlich, das Fiasko jedoch auch. 21 Millionen Dollar spielte dieses postapokalyptisches Abenteuer am ersten Wochenende ein – zu wenig für ein Wunder und zuviel für ein Watergate bei geschätzten Produktionskosten von rund 180 Millionen Dollar. Was immer unterm Strich übrig bleibt: „Waterworld“ ist bereits Geschichte. Niemals zuvor wurde in einen Film soviel Geld investiert und derart geifernd darüber spekuliert, welche Gewinn-Chancen bei solchen Ausgaben überhaupt möglich sind. Alles nichts oder. Wie ein Spieler scheint Costner die Schiacht mehr zu schätzen als den Sieg. Darin ähnelt er Francis Ford Coppok. Dieser verdiente mit „Der Pate“ Millionen, verpfändete danach für „Apocalypse Now“ sein Vermögen, gewann – und verlor alles bei „Einer fürs Herz“. Costner wurde mit „Der mit dem W>lf tanzt“ reich, durch „Robin Hood“ noch reicher und als „Bodyguard“ zum Superstar. Nun konnte er nur noch Steven Spielberg oder sich selbst schlagen. Manisch fixierte er sich auf das Monumentale und die Mythen. Er produzierte für den ,Robin Hood“-Regisseur Kevin Reynolds den ethnischen Romeo-und-Julia-Flop „Rapa Nui“, scheiterte als Hauptdarsteller und Produzent an der „Wyatt Earp“-Legende von Lawrence Kasdan. Das Epos – Costners Schicksal Daher beginnt auch „Waterworld“ mit großer Gestik. Die Kamera stürzt vom Himmel herab aufs Meer, rast über die Oberfläche, an deren Wellenkamm die Sonne sich wie in einem Prisma bricht. Sie stoppt zwischen den gespreizten Beinen eines Mannes, der in einen Blechbecher pinkelt, seinen Urin in den Trichter einer Alchemie-Apparatur schüttet und an einem Griff kurbelt. Er dreht einen Hahn auf, aus dem Trinkwasser tropft. Gleichmütig schlürft er es aus. Die Anfangssecjuenz, ungeschnitten und mit einer Steadycam gedreht, ist komisch und mag ziemlich virtuos erscheinen. Sie ist jedoch längst ein Standard leerer Opulenz, die durch teure Technik mühelos erreicht wird. Mühselig waren bei „Waterworld“ allerdings die Unwägbarkeiten des Elements. Weil ausschließlich auf Wasser gedreht wurde, ist jeder Szene das Wollen und Warten anzumerken, bis die Natur das geeignete Wetter zuließ: den blutroten Sonnenuntergang, glasglatten Meeresspiegel, azurblauen HimmeL „Waterworld“ wurde ein finanzieller Kraftakt, weil er ein Willenswerk über die Launen der Umwelt ist Die Ökonomie war der Ökologie ausgeliefert: Drehtermine fielen ins Wasser, der Materialverschleiß trieb die Kosten hoch. Wie bei „Rapa Nui“ wollte Costner beherrschen, was er in „Waterworld“ als Menetekel der Menschheit vorgibt Bis auf Salzwasser ist in dieser mittelalterlich-futuristischen Hemisphäre alles Mangel, seit die Maßlosigkeit der Menschen die Eismassen an den Polkappen hat schmelzen lassen und die Kontinente versunken sind. Die wenigen Überlebenden haben sich in zwei Parteien aufgeteilt Die Atoller hausen in einer Wasserburg, die sie mitten im Meer auf Pontons errichtet haben. Einige Meilen entfernt hat sich das Böse auf dem Wrack eines Tankers zusammengerottet. Hunderte wüster Figuren scharen sich um ihren Führer Deacon, einem größenwahnsinnigen Glatzkopf, der Zigaretten der Marke „Deadi“ unter den Pöbel streut, den letzten Jack Daniels-Whisky aus dem Laderaum säuft und eine Taucherbrille als Augenklappe trägt Dennis Hopper spielt diesen Bilderbuch-Bösewicht mit dem ihm eigenen fiesen Charme, animalisch und affektiert bis zur Albernheit, eine Symbiose aus Stalin und Sonnengott und Bonds Erzfeind Biofeld. Er verknüpft alle Psychopathen-Porträts zur plumpen Paraderolle, seine Banditen kostümieren sich als krude Karikatur aus Piraten und Hell’s Angek, und „Waterworld“ wurde überschwemmt von Metaphern, Mythen und allen Motiven des Abenteuerfilms. Klimakollaps und Kolumbus, Ahab und Atlantis – alles drin, nichts bleibt „Waterworld“ ist ein Western von gestern, der vergebens in der Zukunft die Schöpfungsgeschichte als Gegenwartsfrage bemüht Nach der Naturkatastrophe suchen die Atoller und Deacon getrennt und gegeneinander ein legendäres letztes Eiland irgendwo hinter dem Horizont Der einzige Hinweis ist ein geographisches Tattoo auf dem Rücken der kleinen Enola (Tina Majorino), die von Helen (Jeanne Tripplehorn) behütet wird Weil die Menschen nichts mehr berührt als eine Kleinfamilie, schließen sich beide Kevin Costner an, einem wagemutigen und wortkargen Seglet, dem die Evolution bereits Kiemen hinter den Ohren verpaßt hat Mit einem stählernen Trimaran, der vorsintfludichen Version von Bonds Aston Martin, flitzt er über die See und durch die Takelage wie einst Errol Flynn. Als Einzelgänger ist er jener no turnte hero, der mit verkniffener Miene alles im Alleingang erledigt Am Ende zieht er weiter ins Nirgendwo. Und über ihm strahlt die Sonne durchs Ozonloch. Doch Costner hat für seinen Wasser-Western nicht nur das genuine Genre gefleddert, wie es vor ihm viele Fantasy-Fabeln, Science-fiction-Schlachten und andere AUrAbenteuer taten, sondern sogar die Variationen beklaut Freizeit- und Sport-Insignien und sonstige Reste der Zivilisation wurden augenzwinkernd als Kriegsgeräte zweckentfremdet Die Wassergleiter und -ski funktionieren wie die Motorräder und Turbowagen von „Mad Max“, woran „Waterworld“ ohnehin erinnert Free-Climbing und Bungee-Springen könnten aus „Indiana Jones“ stammen. Die Action-Szenen folgen den Kinogesetzen von „Die Hard“: Zufallig liegt immer das richtige Seil parat, und in aussichtslosen Situationen hat der Gegner eben Ladehemmung. Trotzdem sind die Action-Montagen das beste, was man über „Waterworld“ sagen kann. Gerade sie führten im Schneideraum aber zum Disput zwischen Kevin Costner und seinem Regie-Kumpel Kevin Reynolds. Costner wollte die Geschichte an sich und die Gefühle zwischen ihm, dem Mädchen und der Frau stärker betonen. Hollywood hat immer zugleich belehren, berühren und unterhalten wollen und darauf auch seine Macht begründet Costner hat diese Methode derart ausgereizt, bis sich die Klischees gegenseitig entlarvten. Das ist vielen Filmen passiert – aber dafür benötigten sie nicht soviel Geld. So richtet sich Costners ökologische Katastrophen-Romanze als pseudomoralische Parabel von der Unbelehrbarkeit der Menschheit gegen ihn selbst Allein der Schauwert kann seinen Meeres-Mad-Max zum Erfolg führen. Noch ist die erlösende Insel 160 Millionen Dollar entfernt Danach die Sintflut OLIVER HÜTTMANN