Weltmusik von Steve Lake

Musik kann eine Möglichkeit sein, seinen Platz in der Welt zu finden, herauszubekommen, wer man ist. THE FAR EAST SIDE BAND besteht oder bestand zu der Zeit, als „Caverns“ (3,0 New World 80458-2, Import) aufgenommen wurde, aus drei asiatischen Musikern, die sich mit ihren roots auseinandersetzen. (Durch den kürzlich hinzugekommenen schwarzen Tuba-Spieler Joe Daley hat sich das Konzept ein wenig geändert.) Die Band wird angeführt von dem Violinisten Jason Kao Hwang, einem Amerikaner chinesischer Abstammung, der in Deutschland bereits mit dem Improvisations-Ensemble X-Communication auf Tournee war und aus dessen Feder auch das Material stammt, das die Stimme und dunkel gefärbte kayagum (Zither) des in Korea geborenen Sang-Won Park und die dramatische Percussion und melancholische Shakuhachi des Exil-Japaners Yukio Tsuji ausgezeichnet zur Geltung bringt.

Dabei scheint Hwang, ein durch und durch moderner Spieler mit einer Menge Genre-übergreifender Erfahrung in New Yorks sogenannter Downtown-Szene, mit Sehnsucht auf die alten Kulturen Asiens zu blicken, als wünschte er sich, in eine Zeit zurückkehren zu können, in der Musiker noch Sprachrohr der Elemente (Wind, Regen, Sonne) und Abgesandte der Götter waren. Im Wechselspiel ausdrucksstarker Klänge und Klang-Farben auf „Caverns“ kann man mitunter einen kurzen Blick auf uralte Rituale erhaschen, während das Zusammenspiel der Musiker höchsten zeitgenössischen Ansprüchen genügt. Eine an vielen Stellen atemberaubende und klanglich hervorragende Aufnahme.

Während Jason Hwang zu verstehen versucht, was es bedeutet, als Chinese in New York zu leben und den Eindruck vermittelt, daß das eine nicht ganz einfache Erfahrung ist, scheinen die KLEZMATICS mit ihrem Status als „Jews With Horns“ (4,5, Piranha/EFA 01885) keine Probleme zu haben. Sie spielen mit so viel Witz und Wärme, daß man, wie bei einem Roman von Isaac Singer, sofort konvertieren möchte.

Der Cover-Text stammt von keinem Geringeren als Allen Ginsberg, der die Band als feurig, brillant, melodisch, komisch, rotzfrech und zuckersüß beschreibt und damit ist eigentlich alles gesagt. Klezmer-Melodien mit Querverweisen auf die Rock-Geschichte, Texte, in denen es ganz schön zur Sache geht, und exzellente Arrangements für Klarinette, Trompete, Akkordeon und Alicia Svigalsi wunderbar sentimentale Violine (wie ein fiddler on the roof auf dem Dach von CBGB’s). Für den flirrenden Gitarren-Hintergrund von „Fisherlid“ zeichnet übrigens Marc Ribot verantwortlich, eine weitere Schlüsselfigur der neuen jüdischen Musik. MOULAHIN HAMID BAROUDI war fünf Jahre lang Sänger der populären World-Fusion-Band Die Dissidenten. Seine Heimat im Atlas-Gebirge hatte er bereits als Teenager verlassen, verführt vom Sound der Beatles aus einem Transistor-Radio, um in der Großstadt sein Glück zu versuchen. „City*No*Mad“ (3,0, Barbarity/EFA 04223-2) ist als Zusammenfassung seiner bisherigen Geschichte gedacht, leidet aber unter einer allzu üppigen Produktion (die Baroudi selbst zu verantworten hat).

Der harte Techno-Beat von „Desert Roots“, mit blubberndem Keyboard-Baß inmitten rasender Handtrommeln und elektronischer Percussion, ist in seiner Nachdrücklichkeit noch ganz reizvoll, aber spätestens auf „Song For Boudiaf“, bei dem der Produzent eimerweise Reverb über dem Saxophon ausleert, beginnt das Interesse zu erlahmen. Die ganze Geschichte ist einfach zu glatt.

Vielleicht sollte Hamid Baroudi, der schließlich ein guter Sänger ist, es beim nächsten Mal mit einem „Unplugged“-Album versuchen – am besten in der Wüste aufgenommen, unter dem Sternenhimmel und direkt auf Zweispur.

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