Willy Porter – Dog Eared Dream

Diese Branche lebt bekanntlich auch und nicht zuletzt vom Hype. Der soll auch hier den Blick aufs Wesentliche verstellen. Muß dieser nicht eben untalentierte Songwriter aus Wisconsin anläßlich seines Major-Label-Debüts im Promo-Waschzettel wirklich gleich in einem Atemzug mit Randy Newman und Bob Dylan genannt werden? Und: Ist das nicht unfair vor allem dem Künstler selbst gegenüber, der die darob geschürten Erwartungen kaum wird erfüllen können?

Ein paar andere aber schon. Die aufgeweckte, ungezwungene Musikalität und Wandlungsfähigkeit, die Willy Porter und seine musikalischen Gefährten Steve Kleiber (auf dem gefürchteten, aber nur selten überstrapazierten Fretless-Baß), John Calarco (Schlagzeug) und Biff Uranus (Fiddle, E-Violine) nebst einiger helping hands auf „Dog Eared Dream“ an den Tag legen, erinnern bei allen Vorbehalten noch am ehesten an die Dave Matthews Band. Und das nicht nur, weil auch hier ein Streichinstrument zum Stamm-Line-up gehört, meist eher dezent plaziert, überhaupt geben sich Porter und Co. zurückhaltender, dringen auch nicht so (vergleichsweise) stark in Jazz-getünchte Ethno-Gefilde vor wie der Kollege.

Dabei gibt Porters helle, geschmeidige Stimme impressionistischen Folk-Ad-Libs („Flying“) und naturalistischen Besinnungsstrecken („Boab Tree“) ebenso ein Gesicht wie lebhaftem Folk-Rock, der in „Cool Water“ dann doch mal eine Violine von der Leine läßt – eher Jean-Luc Ponty (!) als Dylans „Desire“ allerdings. Die sinnig-humorige „On the road“-Studio „Jesus On The Grille“ (Willy Porter soll zuletzt 50 000 Meilen pro Jahr mit seinem alten Golf abgebraten haben…) variiert hingegen ein Roots-Verständnis, wie es auch ein Ry Cooder (siehe „Jesus On The Mainline“) pflegt. Aber „einzigartige Allerweltsgeschichten“ und „hintergründige Texte“ (O-Ton Presse-Info)? In Porters Texten liegt fast alles bloß, was sie nicht ihrer teils poetischen Qualitäten berauben muß, die in „Watercolor“ eine Frau fürs Wesentliche umschmeicheln und in „Glow“ neugierig machen aufs Objekt der Begierde.

Ein „Eigenbrötler, Sonderling, Zyniker“ und, na klar, „Querdenker“? Spüren seine Marktschreier nicht den warmen Geist der Versöhnung, der gleich zum Auftakt Songs wie die Trennungstelegramme „Angry Words“ (mit der Refrain-Zeile „No angry words to say“) und „Rita“ durchströmt? Schreiben Zyniker Zeilen wie „Give your conscience to the children, help to spread some peace and joy“ (in der coolen Funk-Rap-Einlage „Be Here Now“)? Auch macht ein, zugegeben, anrührender Song über ein HIV-Schicksal („Cold

Wind“) noch keinen Querdenker. Und wo bleiben die Wortgewalt, die kühne Konstruktion, der Mut zu verschrecken und Widersprüche zu wecken?

Was ich eigentlich nur sagen wollte: „Dog Eared Dream“ ist eine sehr solide, bisweilen einnehmende Arbeitsprobe eines vielversprechenden Songwriters. Aber: Bitte tiefer hängen. Dann kann auch Willy Porter wieder angenehmer träumen. Und irgendwann vielleicht mal ein paar der Versprechungen einlösen.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates