Wise Up Ghost :: Tolle Songs und clevere Grooves: Experiment ganz klar geglückt

Natürlich gehört der musikalische Selbstversuch zum Selbstverständnis dieses Mannes. Elvis Costello ist als Komponist ein neugieriger Abenteurer, der wohl wegen seiner heißspornigen Art, mit Sicherheit aber aus Hochachtung vor der Musik den Sonderweg vorzieht. Deshalb ist dieses Œuvre so reich an überraschenden harmonischen Wendungen und stilistischen Exkursionen, die vom Wave und Pop über Country und Jazz bis zur Oper führen.

Nun wird die Reihe um ein Experiment erweitert. Costello erkannte in Ahmir Khalib Thompson alias Questlove einen künstlerisch Verwandten und nahm die Einladung zum gemeinsamen Musizieren dankend an. Weil The Roots die musikalischste HipHop-Formation der USA ist – oder ein formidables Soul-Ensemble, je nach dem. Weil Costello mit der Band aus Philadelphia ja gemeinsame kreative Wurzeln hat -denn R&B und Soul reizte das britische Wave-Punk-Kid von Anfang an. Und weil Costello schon auf seinen regulären Alben der vergangenen Jahre immer mal Lieder geschrieben hat, die eher aus Grooves entstehen als aus cleveren Akkorden – dieser Vorliebe kann er hier nun auf Albumlänge nachgehen.

Das Produktionsdesign von „Wise Up Ghost“ ist das der Roots, jedenfalls gehört es in ihre Welt. Ultradirekte Schlagzeugsounds, clevere Samples und abenteuerliche Klangschnipsel aus Jazz und Neo-Soul, insgesamt ein schwülwarm rollender, urbaner und hochmoderner HipHop-Soul-Philly-Funk-Sound -so ausgewogen und formvollendet klingen die Alben von Costello, dessen ruppige Klangästhetik seine musikalische Herkunft verrät, sonst meist nicht. Natürlich ist Costello der Star, doch der Anteil von The Roots am Gelingen dieser Platte ist sehr groß -die vertrackten, gleichzeitig untertriebenen und mitunter fast entfesselt groovenden Tracks halten „Wise Up Ghost“ genauso zusammen wie Costellos freilich gute Lieder.

Insgesamt stehen die beiden Künstler hier auf eine schöne Art nebeneinander. Das bei näherem Hinhören ungemein vielfältige, musikalisch reiche Album sei „the shortest distance between here and there“ sagt Costello. Viele dieser Songs hätte er auch für frühere Werke aufnehmen können – wie Costello bei „Sugar Won’t Work“ eines seiner linkischen Single-Note-Riffs spielt und dann im Refrain die Stimme über das Playback erhebt, das macht ein gewohntes Gefühl. Besonders toll: Der traurige, sehr unmittelbare Soul von „Tripwire“, das acid-ätzende „Refused To Be Save“, das zwischen 70s-Funk, Cineastik und Billy-Idol-NYC-Pop changierende Titellied, der Reggea-Soul-Wave von „Walk Us Uptown“.

Questlove, das wäre doch auch für Elvis Costello ein guter Spitzname.

(Universal) JÖRN SCHLÜTER

Mayer Hawthorne

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