YELLOWIDE; KEIMZEIT – Im elektromagnetischen Feld :: LAUGHING HORSE MUSIC; K & P Music/BMG

Da ist er wieder. Wieder liest man seinen Namen auf der Rückseite irgendeiner Platte und faßt es nicht. Manchmal sieht man ihn auf Konzerten, angetan mit Klamotten, die etwas zu lässig wirken, zu gewollt, als habe er sich übertrieben von einem MTV-Stylisten bepudern lassen. Attitüde ist, was man anzieht. Das könnte die schlichte Maxime des Franz Plasa sein, vor allem was seine Arbeit als Produzent betrifft. In den Achtzigern war er mitverantwortlich für den peinsamen Poesiealbum-Schlagerpop der Krämerladenromantiker Felix De Luxe (kennt die überhaupt irgendjemand in Bergisch-Gladbach?). Ein Jahrzehnt später hatte er als Produzent seinen einzigen großer Coup mit den recht erstaunlichen Posern Selig, denen er fürs dritte Album seine Vorstellung von neutönender Elektronik aufschwatzte – die der Band jedoch nicht stand. Plötzlich war der Starproduzent ohne Stars. Gerade erst betreute er Bernd Begemann und dessen Band Die Antwort, vermochte ihnen aber auch nicht zu einer würdigen Rückkehr zu verhelfen. Besonders „Ich habe mich rasiert“, in einer älteren Version ein flotter Home-Recording-Popsong, wurde zerstückelt, zerdehnt und mit einem unpassenden, schnalzenden Beat zementiert, statt zu einem potentiellen Hit frisiert. Franz, wessen Idee war das? Kann Begemann das wirklich gewollt haben?

Neben Selig übernahm Sony Epic mit Disco eine zweite von Plasa betreute Band, die eklektizistisch spielte und englisch sang. „Sag Bowie“, empfahl Sänger und Songschreiber Stefan Oliver Knoess – und so unverstellt sehnsüchtig musizierten die fünf Hamburger auch an den Blaupausen ihrer Idole entlang, von den Beatles bis zu Bolan. Doch dem Debütalbum „Kitsch Space Creatures“ mangelte es an entscheidender Verve, zudem machte die Plattenfirma viel falsch. Dann standen sie ohne Vertrag da. Als Yellowide sind sie nun zurück am Statt, wieder bei Plasa und beim selben Label wie Die Antwort. Und sagen immer noch deutlich Bowie. Von „The Man Who Lost His Dreams“ zu „The Man Who Sold The World“ ist es nur ein Griff in den Plattenschrank. Broadway-Pop. Bardengesang. Bariton. Kitsch Space Oddity! Da stößt man sich beim Hören die Nase. Und bei der Single „Lift You Up“ gibt Knoess fulminant den frühen Lennon, dazu Piano, Streicher, halt die ganze Pracht, leider mit einem doofen Gitarrensolo. Da ist es fast schon Queen.

„Male and female voices“ stand bei Disco neben Knoess Namen. Die langen Haare, mit denen er so süß aussah, sind ab. Nun schaut er aus wie Noel L. Das Cover der Platte ist definüily Oasis oder auch Stone Roses, Glam sowieso, doch ohne Knoess würde die Konstruktion in sich zusammenfallen. Bei „If You Feel All Right“ könnte er auch „Morning Glory“ schreien, zu „Back To Myself“ hebt er an (Plasa gibt etwas Hall bei) wie Billy Corgan. Er hat den Kick in der Stimme und Plasa genau gelauscht, um diese dichten, dröhnenden Gitarrenwonderwälle hinzukriegen. Das Zitat ist die Tat und zuweilen ein Krampf, aber Yellowide sind allemal beachtliche Kopisten, charmant in der augenzwinkernden Unverblümtheit, mit der sie den Spiegel der Zeiten spiegeln – und dabei fast verloren gehen. „90’s“ heißt also ein Song, und da rasselt es wieder: Lego-Drum’n’Bass, feister Elektrorock, Plasas unseliges Selig-Erbe aus „Blender“. Be here now.

Und dann ganz weit weg, hinauf in den Elfenbeinturm zu Keimzeit, einer Band aus Potsdam, der im Waschzettel der Plattenfirma ein – man ist sprachlos – musikalischer „Quantensprung“ zugemutet wird. Der sich zudem nicht an den Möglichkeiten dieser Musiker ausrichtet, sondern an Musik an sich. Und Plasa war dabei Ausdrücklich gewünscht von den drei Brüdern Leisegang und ihren drei Mitsstreitern, die ganz laut tönen, mit Jm elektromagnetischen Feld“ die: „Geheimsprache, die 1998 von innovativen Bands wie Pavement, Primal Scream, Radiohead und Portishead gesprochen wird, aufnehmen, wirken lassen und für sich im eigenen Kontext weiterverarbeiten und verdichten“ zu wollen. Bei einem derart verquasten Satz könnte was Kosmisches entstehen: Innovation soll ja das Ergebnis von Irrtümern sein.

Im ersten Song barmen sie, „Gebt der Avantgarde das Licht“, und dann wird es finster. Die Kleinkunst erhebt ihre Fratze, angetan mit all jenem Gelumpe aus Musikhochschul-Jazz, esoterischen Klangschwaden, biedersten Bluesrockriffs, betulichen Baßrhythmen, verschollen gehofftem Liedermachergut aus beschaulichem Klaviergeklimper und Gezupfe auf der Akustikgitarre sowie hingebogenen Gesangsmelodien, um die gewichtigen Gedanken noch unterbringen zu können. In den Texten trieft das komplette Betroffenheitselend, wird moralin-metaphorisch „Liebe auf der Leinwand ist wie Krieg im fernen Ausland“ gereimt und krampfhaft referiert, „VÜfenn der Dollar sich so hält, werden Drogen nachbestellt, denn gallebitter sind die Tränen im Exil.“ Das Gitarrengerumpel beim Stück „B.H.“ als „noisig“ zu bezeichnen, ist Bauchpinselei. In „Die Comic-Helden“ sind einige der üblichen elektromagnetischen Schwingungen zu hören. Plasa gefallt das.

Er will dran bleiben an den Trends, den vermeintlichen Trüffeln. Aber wir sollten milde sein. Immerhin ist Franz Plasa nicht für Fury In The Slaugbterhouse, Rammstein und Bell, Book 8C Candle verantwortlich – obwohl er es wohl gerne wäre.

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