Yin Yang von Christian Salvesen

Schon mal was von RAMESH B. WEERATUNGA gehört? Der Mann kommt aus Sri Lanka, lebt seit 20 Jahren in Berlin, beherrscht Gitarre, Stimme und musikalische Einfalle und hat mit seiner Band Electric Rama ein Album aufgenommen, das abwechselnd nach Paul McCartney und Prince klingt – wenn beiden was Neues eingefallen ist. Dazu bläst Miles Davis ein paarmal aus dem Jenseits (als Channel dient der Trompeter Joo Kraus von Tab Two) und der indische Gott Rama macht mit seiner Gespielin butterweichen Raga im sanften Ritt – „Love is to be done“ – zum erdigen Countryrock: „Go Deeper (Traumton). 4,0

Ein Yin-Sprung zurück. 1492 war nicht nur für die amerikanischen Ureinwohner sondern auch für die spanischen Araber und Juden ein trauriges Jahr. Letztere singen im Balkan und am östlichen Mittelmeer heute noch davon, wie schön es damals in Spanien war, bevor sie von den Katholiken vertrieben wurden. Ihre arabeske, melancholische Musik heißt „sephardisch“. VLADIMIR IVANOFF, experimentierfreudiger Produzent mittelalter Weltmusik, führt dieses lebendige Zeugnis einer großen, sensiblen Kultur mit seinem international besetzten Ensemble Sarband auf „Sephamd“ (BMG) eindrucksvoll vor. 3,5

Und ein Yang weiter zurück – zu den Ursprüngen ungarischer Volksmusik. Was die Sängerin und Ethnologin Iren Lovasz auf ihren Expeditionen in geheimnisumwitterten Gegenden wie Transylvanien an archaischem Liedgut entdeckte, verblüfft nicht nur ihre Fachkollegen. Die 23 Lieder auf „Rosebuds In A Stoneyard“ (Erdenklang) wirken wie ein zartherber, asiatischer Duft. „Kenn‘ ich den?“ – nein, undefinierbar. Iren singt entweder ganz ohne Begleitung oder läßt ihre Stimme wehmütig über die von Landsmann Laszlò Hortobagyi sparsam-effektiv eingesetzten Sitar-, Tabla-, Geigen- und Gamelan-Figuren gleiten oder in spacige Synthesizer-Klänge eintauchen. 4,0

Die vorgeschichtlichen Spuren der Ungarn verlieren sich irgendwo in Zentralasien, aber wohl nicht in Tuva, denn die Musik von dort klingt wieder ganz anders. Die tuvanische Gruppe HUUN HUUR TU bietet auf „60 Horses In My Herd“ (Jaro) urwüchsigen Gesang in tiefsten Brummlagen mit oszillierenden Obertönen und erfrischend ungekünstelte, von zweisaitigen Fiddeln und Trommel begleitete Folksongs. Relaxter Country-Eastern. 3,5

Trance-Ambient dehnt sich unüberhör- und schaubar aus. Folgen wir dem abgefahrenen Atemrhythmus und Trancebeat von PROFESSOR TRANCE (alias Frank Natale) und seinen Energisers, dann landen wir glatt bei der Urhorde oder einem tierischen Vorleben. Sein drittes Album „Shaman’s Breath“ (Island) fällt durch das starke Cover und therapeutischen Tiefgang auf. 3,0

Stärker akustisch orientiert ist TRANCE MISSION (City Of Trabes/Intuition). Kunstvolle Percussionrhythmen, jazzige melodische Linien diverser Blasinstrumente und bedeutungsvoll tönende menschliche Stimmen, mittendrin immer das zur abendländischen Virtuosität gesteigerte Didgeridoo-Spiel von Stammesführer Stephen Kent – Trance in ästhetischer Verfeinerung. 3,5

Richtig still und mysteriös wird’s aber erst bei STILLPOINT. „Maps Without Edges“ (Beyond/EFA) läßt alle Konturen in Gong-Vibrationen und elektronischen Sphären verschwimmen, perkussive Klopfzeichen und undefinierbare Geräusche aus der siebten Dimension geben weitere Anhaltspunkte. 3,5

Ob die als „Ambient-Pop“ deklarierte Fortsetzung „Beautiful World: Forever“ (WEA) wieder in die Charts kommt? Bestimmt „Mastermind“ PHIL SAWYER hat noch einmal alle Register eingängiger „Worldmusic“ gezogen, von den gehauchten Swahili-Chorstimmen bis hin zum strammen Reggae. Seit seiner Zeit bei Spencer Davis ist viel passiert. 4,0

Die große Rai-Sängerin RIMITTI, 75 Jahre alt, gurgelt auf „Cheikha“ (Exil/Indigo) zum exzessiv ausufernden Orient-Funk von Musikern um Robert Fripp und Flea. Ein Ereignis, nahe der Levitation. 3,0

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