Rio Reiser: Zum 15. Todestag des Königs von Deutschland

Vor 15 Jahren verstarb der Künstler Rio Reiser. Eine Erinnerung an den Komponisten, Sänger und Schauspieler, der die deutsche Kulturlandschaft so sehr prägte.

„Ich glaube nicht, dass das Leben mit dem Tod aufhört.“, erzählte Rio Reiser 1983 im Interview. Im Gegenteil, man wisse ja nicht, wie es nach dem Tod weiter gehe, deswegen wäre es ja durchaus möglich, dass mit dem Tod das Abenteuer Leben sich fortsetze.

Am 20. August 1996, vor genau 15 Jahren, erfuhr der Musiker und Schauspieler schließlich, ob er Recht behalten sollte. Rio Reiser verstarb im Alter von nur 46 Jahren an Kreislaufversagen aufgrund innerer Blutungen. Seitdem weilt er zwar nicht mehr unter uns, doch seine Musik und seine Filme sind weiterhin unsterblich. Mit Ton Steine Scherben prägte er die deutsche Musiklandschaft und als Hausbesetzer galt er in der linken Szene als Pionier.

Rio Reiser wurde 1950 als Ralph Möbius in Berlin geboren. Als Zwanzigjähriger gründete er Ton Steine Scherben mit den Musikern R.P.S. Lanrue, Kai Sichtermann und Wolfgang Seidel.

Noch im selben Jahr gaben sie nach Jimi Hendrix‘ letztem Konzert auf dem „Festival der Liebe“ der Ostee-Insel Fehrmann ihr Konzertdebüt. „Da die Organisatoren die Gagen für die Künstler und Helfer nicht zahlen konnten, forderte Rio das Publikum auf, den Veranstalter ungespitzt in den Boden zu hauen“, erinnert sich Reisers Bruder Gert Möbius.

Mit Zeilen wie „Die Chefs schützen, Die Aktien schützen, Das Recht schützen, Den Staat schützen. Vor uns!“ aus dem Lied „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ spielten sich die Scherben in die Herzen der linken Szene und lieferten einen Soundtrack für die späteren Ausläufer der Außerparlamentarischen Opposition. Man pflegte einen regen Kontakt zur Bewegung 2. Juni um Fritz Teufel, der Song „Keine Macht für Niemand“ war für jene eine Auftragsarbeit. Abgenommen wurde er jedoch erst, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Titel tatsächlich funktionierte – Andreas Baader habe laut Reiser gar gesagt, das Lied sei ein vollkommener Schmarrn.

Als er 1977 die Hauptrolle im Film „Johnny West“ – für den Reiser den Bundesfilmpreis in Gold ausgezeichnet wurde – angeboten bekam, beschloss Reiser seinen Namen zu ändern. „Bei Ton Steine Scherben waren die Namen der einzelnen Mitglieder vollkommen unwichtig, aber dann 1977 kam ich – wie die Jungfrau zum Kinde – zu einer Hauptrolle in einem Film und da wollte ich nicht Ralph Möbius heißen.“, erzählte Reiser 1995 im NDR-Interview. Vor allem dieses „Ralph“ mit „ph“ und das „Möbius“ habe ihn gestört, das klinge doch wie ein Charakter aus einem billigen Arztroman!  Als Inspiration diente schließlich die Romanfigur des Anton Reiser des Sturm-und-Drang-Autors Karl Philipp Moritz. Rio Reiser wurde geboren.

Nach der Trennung von Ton Steine Scherben im Jahr 1985 aufgrund eines horrenden Schuldenberges begann Reiser seine Solokarriere. Zum Entsetzen seiner linksgerichteten Fangemeinde war er mit Liedern wie „König von Deutschland“ und „Junimond“ kommerziell sehr erfolgreich. Schon nach kurzer Zeit sprudelte die Geldquelle wieder, die Scherben-Schulden konnten abgezahlt werden.

Seine sechs Soloalben, die er im Zeitraum von 1986 und 1995 aufnahm, bestachen durch ihre eindringlichen Texte und einprägsamen Melodien und machten Reiser zum „König von Deutschland“. Seine Homosexualität, zu der er sich schon seit der Bandgründung im Jahr 1970 offen bekannte, wurde erst seit seiner Solokarriere in den Medien thematisiert. Nun äußerte sich Reiser auch in Talkshows dazu.

Mit dem Schwinden seiner Gesundheit Anfang der 90er schien ihm auch der Ruhm zur Last zu werden. So textete er im Lied „Hoffnung“ aus seinem letzten Album „Himmel und Hölle“, ein Jahr vor seinem Tod: „Nehmt mir die Krone ab, die mich erdrückt / nehmt mir die Krone weg, nehmt sie zurück.“ Nur wenige Tage vor seinem Tod sprach Rio Reiser noch mit seinem ehemaligen Bandkollegen R.P.S. Lanrue über Pläne für ein neues Album. Sein Leben widmete er bis zu Schluss der Musik.

Um die Erinnerung an Reiser weiterleben zu lassen, will sein Bruder Gert nun in Berlin ein Rio-Reiser-Museum ins Leben rufen. Wo und wann, das weiß man noch nicht genau, „möglicherweise aber noch in diesem Jahr in Kreuzberg.“ Begraben liegt Reiser in Berlin, sein Grabstein hat die Form eines Herzens. Abgegeben hat Reiser seine Krone selbst im Tod nicht. Sie wurde aus Metall gegossen und steht auf einem Zepter hinter seinem Grab, damit sie ihn, wie in „Hoffnung“ gewünscht, nicht erdrückt. Eine Ehrung an Deutschlands letzten König.

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