Celine Dion: Große Stimme oder nur große Pose?

Die Debatte um die neue Liste der besten Sänger und Sängerinnen des ROLLING STONE eskaliert. Fans von Celine Dion protestieren wegen „Missachtung“ des Superstars aus Kanada vor dem New Yorker Verlagsgebäude. Aber was macht eine „Große Sängerin“ aus – gehört Celine Dion in die Liste?

In Laufe seiner mittlerweile 56-jährigen Geschichte hat der amerikanische, wie auch der deutsche ROLLING STONE das Popuniversum immer wieder in Listen kategorisiert. „Die beste Band“, „Das beste Album“ und viele andere Kategorien schufen im Laufe der Jahrzehnte in eine Art Kanon der Musikgeschichte des 20, und 21. Jahrhunderts.

Diese langen, kommentierten Kompaktlisten sind in regelmäßig-unregelmäßigen Abständen immer wieder neu justiert worden. Seit der RS-Gründung in San Francisco 1967 durch den damaligen Jungkritiker Jann S. Wenner trugen die Wertungen im Laufe der Zeit auch dem Zeitgeist von neuen Kritiker:innen Rechnung. Das Tableau der Musiken wurde dabei diverser und insgesamt weniger „rocklastig“. Zeitenwandel im Spiegel der Geschmäcker und Generationen.

Auch der deutsche ROLLING STONE hat diese Votings immer wieder gerne mit einem deutsch-europäischen Blick durchgeführt. Andere Länder, andere Sichtweisen. Eine kulturelle Statistik, die bei der Leserschaft traditionell sehr beliebt ist. Nach dem Motto: „Jeder ist sein eigener Experte“ wurde und wird bis heute heiß diskutiert.

Noch nie allerdings in all den Jahren sind die Wogen um eine Liste des ROLLING STONE so hochgekocht, wie das aktuelle Auswahl-Thema „The 200 Greatest Singers of All Time“.

Denn: Unter den 200 größten Sangeskünstler:innen fehlte eine: Celine Dion.

Was sonst Debattenstoff für angeregte Restaurant- oder Thekengespräche war, mündete nun in einer überschaubaren, aber dafür umso engagierteren Protestkundgebung vor dem Bürogebäude des amerikanischen ROLLING STONE in Manhattan.

Im Mittelpunkt der Debatte standen die Fans der franko-kanadischen Sängerin Celine Dion. Stein des Anstoßes war die „Missachtung“ ihrer Popgöttin in besagter Liste der größten Sänger und Sängerinnen. Von einem konzertierten „Ausschluss der Superstar-Sängerin“ vom topaktuellen Voting war die Rede.

Die lautstarke Schar von Dion-Anhänger:innen rief, sang und reckte Schilder gen Himmel. Darauf war etwa zu lesen: „How Can You Forget Celine?“, „The Power of Celine“, „Justice for Celine“, „Celine Is No Longer By Herself“ und „I Drove All Night to Be Here!“. Die von der amerikanischen Redaktion gesammelten Banner-Aufschriften haben mittlerweile eine virale Welle in den Socials ausgelöst: Favorit der New Yorker Kollegen: „Rolling Stone Is Stoned“, das auch zu einem allseits beliebten Sprechgesang vertont wurde.

Der Straßenprotest war offenbar von einer Gruppe überzeugter Dion-Fans organisiert, die sich selbst als „Red Heads“ bezeichnen. Auf dem Instagram-Fan-Account @celinedionaddicts_official kann man ihnen beim Plakate-Basteln zusehen. Auch die US-Kollegen des ROLLING STONE haben berichtet:

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Die Gründerin der Gruppe, Line Basbous, sagte dem aus der Redaktion herbeigeeilten Reporter-Team, dass die meisten aus der Gruppe extra aus Kanada angereist wären, um sich „im Namen von Celine“ in die Bresche zu schlagen.

„Offensichtlich haben Sie einen großen Fehler gemacht und ihren Namen auf ihren Favoriten-Liste vergessen, die Sie letzte Woche veröffentlicht haben“, sagte Basbous zu einer Mitarbeiterin des ROLLING STONE. „Wir wollen ausdrücklich betonen, dass Sie in ihrer Wertung die beste Sängerin der Welt übersehen haben.“ Ganz Fanwoman fügte sie hinzu: „Sie sollte der erste Name auf eurer Liste sein!“

In diesen Webclips war auch die französisch-kanadische TV-Moderatorin Julie Snyder zu sehen, die ebenfalls vor dem ROLLING-STONE-Hauptquartier auftauchte – für einen Beitrag in ihrer eigenen Fernsehsendung.

Neben all der Aufregung um Dion verlief der Protest letztlich mit einem Schwenk zum Humor: „Sie hat den Oscar, den Grammy und die American Music Awards gewonnen“, so TV-Frau Snyder und erwähnte einige von Dions berühmten Auftritten, wie bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta und beim „Tribute to Heroes“ nach den Twin-Tower-Anschlägen vom 11. September 2001: „Ihr habt sie vergessen! Ihr seid bekifft, Leute, was ja auch okay ist!“

Der Kern des Streits um die „kuratorische Auswahl“ der größten Sänger und Sängerinnen aller Zeiten ist dabei durchaus eine Diskussion wert. Wie in einer akademischen Arbeit hat die Redaktion des ROLLING STONE schon im Regelwerk „große Stimmen der Klassik“ wie etwa Maria Callas oder auch die schwarze Sopranistin Jessey Norman ausgeschlossen. Bei Norman changierte das Ouevre durchaus in pop-kompatible Genres wie Jazz oder Soul.

Der (hierzulande eher Fachleuten bekannte) „Country-Tenor” Charlie Rich belegte dagegen Platz 120. Seine Nähe zu Elvis und dem Rockabilly-Genre machte den Unterschied in der grundsätzlichen Kategorisierung.

Oder die britische Punk-Sängerin Poly Styrene (X Ray Spex) auf Platz 195 – ist sie eine größere Sängerin als Celine Dion? Oder einfach origineller, eigener?

Wie seht ihr die Sache: Gehört Celine Dion in die Liste der besten Sängerinnen und Sänger aller Zeiten – oder ist es richtig, dass sie dort fehlt?

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