ROLLING STONE hat gewählt: Das sind die Alben des Jahres 2024

Das sind die 50 Alben des Jahres 2024 – zusammengestellt von den Kritiker:innen des ROLLING STONE.

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Empfehlungen der Redaktion

40

Shabaka – „Perceive Its Beauty, Acknowledge Its Grace“

Der Brite Shabaka Hutchings legte 2023 sein Saxofon zur Seite, um fürs Erste nur noch die unterschiedlichsten Formen von Flöten zu spielen. Als Shabaka verbinden er und Gleichgesinnte wie Floating Points, Carlos Niño oder Moses Sumney Avantgarde-Jazz mit unerhörtem, himmlischem Wohlklang. Warm, weich und überwiegend akustisch, kümmert sich diese Musik nicht um Trends. – JZ

39

Joan Aspolicewoman – „Lemons, Lime and Orchids“

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, schmeiß sie weg: Das lernen wir aus dem fabelhaften neuen Album von Joan Wasser. In dessen Titelstück läuft sie allein durch „schmutzige Straßen“ und sinniert über die Frage, ob die nächste Menschheitsgeneration mehr Willen und Talent zum Überleben besitzen wird. Wohl kaum! Aber selten wird so schön lockend, barmend und sehnend über die Apokalypse gesungen wie hier. – JB

38

Nxworries – „Why Lawd?“

Zwei Große des HipHop, Anderson .Paak und Knxwledge, die alle acht Jahre zu einem Album zusammenfinden. Wie gereift die beiden heute im Leben stehen, zeigt sich im genialen Break-up-Track „KeepHer“, in dem .Paak von einem mittellosen Nebenbuhler ausgestochen wird und er seiner Liebe hinterherruft: „You don’t look good in that Hyundai.“ Ironie ist nicht immer eine schlechte Idee, vor allem wenn sie so groovy klingt. – SZ

37

Cassandra Jenkins – „My Light, My Destroyer“

Eine im schönsten Sinne esoterische und transzendentale Platte, auf der Cassandra Jenkins mit ätherischer Stimme Folk und Lullaby, Jazz und Field Recordings zu einem berückenden Kosmos vermischt. Die Songtitel sind auf der Rückseite des Albums wie ein Sternenbild angeordnet, ein Stück heißt „Shatner’s Theme“ – aber Jenkins kann auch sehr irdische Songs wie Fleetwood Mac schreiben. – AW

36

International Music – „Endless Rüttenscheid“

Diese Mischung aus Melancholie, Unbehagen und existenzieller Langeweile, die man Spleen nennt, beherrscht keine Band hierzulande besser als International Music. „Endless Rüttenscheid“ ist der Gipfel des Spleens und ein Meisterwerk des Kraut-Pop, eines Genres, das International Music vermutlich erfunden haben. Sie selbst nennen das, was sie machen, im besten Song des Jahres „timeless melancholic music“.MB

35

Beyoncé – „Cowboy Carter“

Als „Cowboy Carter“ Ende März mit dem üblichen Bohei, das um einen glamourösen Weltstar gemacht wird, veröffentlicht wurde, dominierte das Album tagelang die popkulturelle Debatte. Sind die 27 Songs zwischen der Dolly-Parton-Interpretation („Jolene“) und dem harten Beat-Track „Spaghettii“ mit der Schlüsselzeile „Genres are a funny little concept“ nun wirklich echt und somit ernst zu nehmen? Die Single „Texas Hold ’Em“, anmoderiert von Legende Willie Nelson, eroberte zwar die Country-Charts – aber das wäre ja doch wohl eher ein Pop-Track, oder?

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Puristische Grundsatzfragen, die Beyoncé schnell abräumte. Es sei kein Country-, sondern ein Beyoncé-Album über Country, stellte sie klar. Und zudem eine Herzensangelegenheit für sie als Texanerin. Eine Verbeugung auch vor den oft verdrängten Verdiensten schwarzer Country-Musiker:innen. Nach einer Erhebung des Marktforschungsinstitutes Nielsen hat dieser didaktische Ansatz in den USA gefruchtet: 40 Prozent mehr junge schwarze Radiohörer hören Country, schwarze Musikerinnen wie Rhiannon Giddens oder Linda Martell profitieren davon.

Was bleibt von der Musik? Allein aufgrund seiner knalligen Fülle hält das Album lange vor, man hat gut zu tun. Der bereits erwähnte Willie Nelson gibt weitere Gastspiele als grantiger Alter. Kollegen wie Shaboozey oder der Crooner Post Malone entstammen eher der Rock- oder Trap-Familie, sie alle finden ihren Part. Als Duettpartnerin darf Miley Cyrus zur Klampfengitarre in „II Most Wanted“ beweisen, wie bodenständig ihre Stimme ist.

Im anspielungsreichen Tableau werden Chuck Berry, Sister Rosetta Tharpe oder der fast vergessene Bluessänger Son House gewürdigt, wie es überhaupt zig historische Verweise gibt. Da dürfen auch die Beatles nicht fehlen, deren „Blackbird“ im Chor in ein warmes Gospel verwandelt wird. Eine XXL-Packung mit Entdecker-Bonus. – RALF NIEMCZYK

34

Christopher Owens – „I Wanna Run Barefoot Through Your Hair“

Jesus Christopher Owens. Er ist auferstanden! Nach Jahren unter der Armutsgrenze, am Rande der Gesellschaft, kehrt der ehemalige Girls-Sänger mit einem Album zurück, dessen Schönheit einen erschlägt. Über melancholisch schwingende E-Gitarren singt Owens mit seiner brüchigen Stimme von Einsamkeit und Todesnähe. Und reicht uns am Ende die Hand: „Do You Need A Friend“. – JJ

33

Oisin Leech – „Cold Sea“

Oisin Leechs wundervolles Debüt als Solosänger ist auf alle erdenklichen Weisen eine Herzensangelegenheit. Aufgenommen wurde es mit zum Teil antiken Instrumenten im irischen Küstenort Donegal, und man meint in diesem zärtlich gezupften Folk das Rauschen der Wellen zu hören und die Seeluft zu riechen. Zur Seite stand dem Musiker neben vielen Freunden aus der Region mit Steve Gunn auch ein Seelenverwandter. – MV

32

John Cale – „Poptical Illusion“

Es ist eines der erstaunlichsten Alterswerke der Rockmusik: John Cale, der Romantiker und Klassizist, wird immer spielerischer und verspielter mit dem elektronischen Instrumentarium (und Wortspielen!). Mit 81 Jahren hat er diese leichtfüßige, unverkrampft experimentelle Platte aufgenommen, und zwar fast allein mit Dustin Boyer an der Gitarre. Seine Heimat Wales kommt auch wieder darin vor. – AW

31

Dawes – „Oh Brother“

Da waren’s nur noch zwei. Zum Duo geschrumpft, konzentrieren sich die Goldsmith-Brüder auf den Kern ihrer Musik: Westcoast-Songwriting de luxe, filigran gespielt und vielseitig arrangiert. Wie leicht Taylor Goldsmith seine Lieder zu fallen scheinen, ist fast unverschämt. Man hört hier einem zu, der sich als Songwriter zu einem Ort maximaler Freiheit durchgearbeitet hat. Großartig ist etwa das hypnotische „Surprise!“. – JS