RS 02/95 Performance: Oasis, live im Hammersmith Palais, London (13. Dezember 1994)

Am 13. Dezember 1994 spielten Oasis im Hammersmith Palais in London. Wolfgang Doebeling, der diese neue Generation britischer Popmusiker in den ROLLING STONE brachte, war vor Ort.

Von wegen: Früher war alles besser. Bei Oasis bekam man schon im Dezember 1994, nicht mal vier Monate nach dem Release ihres Debüts „Definitely Maybe“, das, was man auch später von ihnen bekam: „Ungerührt spulen sie ihr Programm ab. Liam wirkt steif, die Arme an der Seite baumelnd, dann wieder hinterm Rücken verschränkt.“ Aber das muss ja nicht schlecht sein, wie man heute weiß. Hier der Originalbericht von Wolfgang Doebeling, erschienen auf den „Performance“-Seiten (ja, die gab es damals schon) der Februarausgabe des Jahres 1995:

Die Menge ist in euphorischem Aufruhr: „Slide Away“ rollt durch die Halle, hypnotisch und mit majestätischer Dringlichkeit. Sänger Liam Gallagher zerdehnt die Silben wie Johnny Rotten in seinen besten Tagen. „Slide Away“ ist eine Hymne. Hätte nur die Hälfte von Noel Gallaghers Songs diese Klasse, wären Oasis über jeden Hype-Verdacht erhaben. Doch auch die Zweifler sind im Publikum. Während die Fans vorne wogen, stehen sie skeptisch im Halbdunkel und tauschen wissende Blicke.

Dies ist London. Hier hat man schon alles gesehen. Auch und gerade im Hammersmith Palais, früher ein schmuckloser, spartanischer Kasten, perfekt für das Zelebrieren von Punk Rock. Heute ist das Palais ein HipHop-Laden aus Messing und Chrom: let me hear you say yeah…

Oasis sind derlei populistischem Unsinn abhold. Man wird nicht overnight Sensation durch Anbiederung, jedenfalls nicht in England. Ungerührt spulen sie ihr Programm ab. Liam wirkt steif, die Arme an der Seite baumelnd, dann wieder hinterm Rücken verschränkt. Kein idiotisches Gestikulieren, überhaupt keine Dance-Derivate im Bewegungsablauf. Oasis sind Pop und stolz darauf. Daß ihre Show auch musikalisch keinerlei Dynamik kennt und jeder Song mid-Tempo attackiert wird, spricht nicht unbedingt gegen sie. Hey, die Ramones wissen nicht einmal, wie man Dynamik schreibt.

Leblose Mädchenkörper werden nach vorne durchgereicht und von der Ordner-Armada weggetragen. Oasis-Mania! Doch halt, es sind immer dieselben: Kaum entsorgt, tauchen sie bereits wieder lachend in die Menge unter. Beileibe nichts Neues: girls are fakin‘ it.

Oasis dagegen echt. Selbstverliebt, aber zu Recht gerühmt als britische Hoffnung. Ob sie allerdings so gut sind wie sie glauben? Definitely maybe.

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