Rückblick auf „Game Of Thrones“: Das Majestätische ist weg

Die erfolgreichste TV-Serie der Welt hat sich ihrem Ende entgegengeredet. Ein Rückblick für „Game Of Thrones“-Liebhaber

Es gibt viel zu Meckern über die siebte Staffel, und das wurde auch getan. Der ruppige Bluthund Sandor sagt zu dem jungen Schmied, als sie jenseits der Mauer die Weißen Wanderer suchen: „Deine Lippen bewegen sich, und du beklagst dich. Das ist Jammern.“ Es ist Jammern auf hohem Niveau. Der Winter wurde so lange antizipiert, dass er nun, da er gekommen ist, nicht kalt genug ist. Die Bücher von George R. R. Martin sind der Serie bei der siebten Staffel ausgegangen. Es geht dem Ende entgegen. Es wird dem Ende entgegengeredet.

Wie bei einem Kinderspiel schreibt jeder Zuschauer an seinem eigenen „Game Of Thrones“: Er denkt sich Machtkonstellationen aus, Intrigen und Ränke, Liebe und Rache, Koalitionen und Allianzen, Scharmützel und Schlachten. D. B. Weiss und David Benioff schreiben gegen eine Armee der Schatten an. Aber ihre Erzählung ist noch immer das virtuoseste Sprach- und Filmkunstwerk der Gegenwart, ein Gemälde aus Vignetten und Sittenbildern, Aphorismen und Aperçus von marmorner Schönheit. In dem Gewirr der Saga, den genealogischen und dynastischen Verstrickungen und der Vergangenheitsseligkeit verschwindet nicht der Glutkern der Erzählung: das Sich-Behaupten unter dem Dräuen der Apokalypse.

Es sind aber gerade die fantastischen, die märchenhaften Züge, die dem Königsspiel das Majestätische rauben. Daenerys’ Drache, der dreiäugige Rabe und das Raunen von der langen Nacht und Weißen Wanderern, die als eklige Geisterbahn-Zombies allzu deutlich gezeigt werden, sind oktroyierte Mächte, vor denen auch der grausamste Krieger kapituliert. Der Deus ex Machina und der Kastenteufel sind immer die einfachste narrative Lösung. Alle Menschen fürchten sich vor dem Unbegreiflichen. Es ist ein billiger Grusel. Es ist unheimlich, aber nicht geheimnisvoll. Die Fantasie tötet die Fantasie.

Aber wie herrlich sind die Kabinettstücke der siebten Staffel! Jon und Tyrion auf dem Felsen, grübelnd: „Ich bin der nördliche Narr.“ Das bedächtige Ende und der Triumph von Diana Riggs Lady Oleanna. Pilou Asbæks lustvoll rüpelhafte Auftritte als Euron Greyjoy. Samwells zähe Fron in der Bibliothek und sein Durst nach Aventüre und Heldentum. Die Sottisen des fatalistischen Bluthunds in der Schneewüste. Cerseis nihilistischer Rabulismus, die ergebene inzestuöse Liebe ihres Bruders Jaime. Tyrions Vorwegnahme des Angriffs auf Casterlystein: Er erzählt, was passieren wird, während man sieht, wie es passiert. Der Schauprozess gegen den sich sicher wähnenden Großintriganten Kleinfinger. Aryas Rache an den Mördern ihrer Familie. Schließlich der Moment, da Jon an die Holztür von Daenerys’ Kemenate klopft: Deshalb wurde das alles erzählt. Aber es ist dennoch eine unvermeidliche Enttäuschung, dass es tatsächlich geschieht.

Der Winter selbst ist eine Enttäuschung: Die eklen Weißen Wanderer sind eine vom Computer erschaffene Horde von Zombies. Blaugrau steht Sansa auf ihrer Burg in Winterfell, während pittoreske Schneeflocken fallen, und ihr Bruder Bron sieht die Vergangenheit und die Zukunft, und es fallen sacht die Schneeflocken, und Sansa und Arya bestreiten erst der anderen, dass sie das alles ausgehalten hätte, und bestätigen dann der anderen, dass sie das alles ausgehalten hat.

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