Rush: Die 12 besten Songs des Neil Peart
Von „2112“ bis „Tom Sawyer“ – ein Rückblick auf die High-Tech-Highlights des legendären Drummers und Texters Neil Peart
„Neil Peart, das ist ein ganz anderes Tier, eine andere Spezies von Schlagzeuger“, sagte Dave Grohl 2018 dem ROLLING STONE, als er gefragt wurde, ob er jemals für Rush ans Schlagzeug treten könne. Ein Gefühl, das im Rockuniversum nahezu einstimmig geteilt wird. Pearts Leistungen am Instrument, mit denen er 40 Jahre lang Rushs kopfverdrehende Songs antrieb, eine Kombination aus atemberaubender Technik und kunstvoller Exzentrik, machten ihn fast übermenschlich.
Dazu kam sein lyrisches Talent, das sowohl die konzeptionellen Prog-Epen der Siebziger als auch die herzlichen Hits der Achtziger und darüber hinaus prägte. Ein Polymath ohne echte Konkurrenz.
Um das gesamte Genie Neil Pearts als Schlagzeuger und Wortschmied abzubilden, bräuchte es Dutzende Tracks. Diese 12 – vom ersten Rush-Album mit ihm 1975 bis zum letzten Werk der Band fast vier Jahrzehnte später – sind als Einladung zu verstehen in die Welt des Mannes, den man „the Professor“ nannte.
Rush: Die 12 besten Songs des Neil Peart
„Anthem“ (1975)
Der Opener des zweiten Rush-Albums markierte einen der bedeutendsten Mitgliederwechsel der Rockgeschichte. Das Debüt mit dem ursprünglichen Drummer John Rutsey bot geradlinigen Hardrock. Solide, aber unspektakulär. Doch das stakkatohafte Intro von „Anthem“ und der präzise Uptempo-Groove zeigten: Rush mit Peart war eine völlig neue Band. Der Titel, entlehnt von Ayn Rand, markierte auch Pearts Einstand als Intellektuellen-Lyriker des Genres. „Am Tag von Neils Vorspielen hatten wir fünf Leute – drei vor Neil und einen danach“, erinnerte sich Geddy Lee 2016. „Es war unangenehm, den letzten nach Neil hören zu müssen, weil Neil so verdammt gut war. Es war klar: Er war der Mann.“
„2112: Overture / The Temples of Syrinx“ (1976)
Nach dem schwachen Echo auf „Caress of Steel“ wussten Rush: jetzt oder nie. 2112 machte sie zur Legende – und Peart endgültig zum Elite-Drummer und Texter seiner Generation. „Es ist ein Zyklus von Songs über die Wiederentdeckung der Musik“, erklärte Peart. Die kosmische „Overture“ und das wuchtige „Temples of Syrinx“ klingen, als würde die Band ihre eigene Funken neu entzünden. Peart glänzt mit galoppierenden Rhythmen, brutalen Rototom-Figuren und komplexen Triolen über das gesamte Kit.
„Xanadu“ (1977)
Mit zunehmender Ambition in den Siebzigern baute Peart sein Drumset zu einem kompletten Percussion-Orchester aus. Für ein Stück, inspiriert von Samuel Taylor Coleridges „Kubla Khan“, setzte er Windspiele, Röhrenglocken und Chimes ein, bevor er in einen math-rockartigen Riff-Drive überging. Die Mischung aus delikaten Zwischenspielen und Powertrio-Energie zeigte seine perfekte Balance aus Präzision und Kraft. „Der Song wurde ursprünglich durch ‚Citizen Kane‘ angeregt“, sagte er 2010. „Dann las ich das Gedicht – und es übernahm den Song.“
Rush: Die 12 besten Songs des Neil Peart
„The Trees“ (1978)
Während andere Rockstars Hotelzimmer zerlegten, las Peart Ayn Rands „The Fountainhead“. Daraus entstand „The Trees“ – die Geschichte eines Konflikts zwischen Eichen und Ahornbäumen, die am Ende durch Gleichmacherei zugrunde gehen. Musikalisch ein Mix aus sanftem Genesis-Flair, hymnischem Aufbau und Pearts prägnanten Woodblock-Einsätzen. Später distanzierte er sich von Rand: „Ich war ein Kind. Heute nenne ich mich einen ‘bleeding heart libertarian’.“
„The Spirit of Radio“ (1980)
Rush entgingen dem Prog-Absturz der Achtziger mit „Permanent Waves“. Die Single „The Spirit of Radio“ wurde ihr Arena-Ticket. Pearts Texte wetterten gegen Kommerzialisierung, während er Reggae-inspirierte Beats im Stil von Stewart Copeland einbaute. „Es war eigentlich über den Sender CFNY-FM in Toronto“, erklärte er 1980. „Das letzte Bollwerk dessen, was FM-Radio einmal war.“
„Tom Sawyer“ (1981)
Der Welthit und Rushs Signatursong. Peart schrieb den Text mit Pye Dubois: ein moderner Rebell, vermischt mit Pearts eigener Reflexion über Jugend und Erwachsensein. Das legendäre Drumfill in der Songmitte wurde neben Phil Collins’ „In the Air Tonight“ eines der meistimitieren Fills der Rockgeschichte. „Es ist immer noch herausfordernd und befriedigend zu spielen“, meinte Peart 2012.
„YYZ“ (1981)
Das Kürzel des Flughafens Toronto inspirierte diesen Instrumental-Klassiker. Auf Platte vier Minuten, live mit Pearts Drumsolo doppelt so lang. „Wir hörten das Morsecode-Rhythmusmuster aus dem Cockpit, als wir in Toronto landeten“, sagte Peart. „Das war der Anfang.“ Ein Showcase für alle drei Musiker und jahrzehntelang ein Fan-Favorit.
Rush: Die 12 besten Songs des Neil Peart
„Subdivisions“ (1982)
Auf „Signals “verschmolzen Rush Pop und Prog. „Subdivisions“ in 7/4 brachte einen eingängigen Synth-Riff, aber auch Pearts wohl ergreifendste Texte: eine Hymne an jugendliche Außenseiter und den Druck der Anpassung. „Extrem autobiografisch!“, gab Peart 2017 zu.
„The Enemy Within“ (1984)
Mit „Grace Under Pressure“ bewiesen Rush ihre Wandlungsfähigkeit im New-Wave-Zeitalter. „The Enemy Within“ zeigte Peart schlanker und ökonomischer, beeinflusst von Stewart Copeland. Zwischen funky Bass und Ska-Gitarre tänzeln seine Hi-Hats, präzise und voller Energie.
„Stick It Out“ (1993)
Auf Counterparts kehrten Rush zu härterem Rock zurück. „Stick It Out“ klang schwer und zeitgemäß in der Grunge-Ära. Peart synkopierte den Einstieg raffiniert, bevor er mit donnerndem Backbeat einstieg. „Der Song ist fast Parodie – textlich wie musikalisch“, meinte er selbstironisch.
„One Little Victory“ (2002)
Nach dem Tod seiner Tochter und Partnerin zog sich Peart zurück – kehrte aber nach einer langen Motorradreise zurück. Der erste Song nach der Pause beginnt mit einem Double-Bass-Gewitter: ein Statement der Stärke. „Eigentlich wollte ich es ans Ende setzen“, so Peart, „aber Geddy meinte: ‘Öffne den Song damit – das killt.’“
„BU2B“ (2012)
Rushs Abschiedsalbum „Clockwork Angels“ verband Härte mit epischer Story. „BU2B“ (Brought Up to Believe) brachte Pearts schwere Grooves und Texte über freien Willen und den Bruch mit blindem Glauben. Ein Thema, das ihn seit „Anthem“ begleitete. „Es zeigt die Werte, mit denen die Figur aufwuchs, und wie sie in einer Welt landet, die nicht so cool ist“, erklärte Lee.