Sade

Fast acht Jahre war sie wie vom Erdboden verschwunden: keine Platten, keine Tourneen – von Schlagzeilen und Rampenlicht ganz zu schweigen. Sade Adu ist inzwischen 41, aber noch immer die ätherische Elfenbein-Schönheit, die keinem Alterungsprozess unterworfen scheint. Am Freitag, dem 13., trafen wir sie im Londoner Hotel „Hempel“, um über Gott, die Welt und ihr neues Album „Lorers Rock“ zu reden.

Wir haben Vollmond heute Nacht. Gehörst du zu jenen Frauen, die dafür besonders empfänglich sind?

Absolut. Ich liebe Vollmond, auch die Tage, in denen der Mond zunimmt. Mir wird das immer erst rückblickend klar, aber meine Kreativität ist definitiv größer, wenn auch der Mond größer wird. Als wir „Lovers Rock“ aufnahmen, spielte der Mond jedenfalls eine wichtige Rolle: Unser Studio war auf dem Land, und weil’s kein Streulicht dort gab, waren die Sterne greifbar nah.

Du hast bei der Wahl des Studios immer den Hang zum Exotischen, wie etwa im Falle des spanischen „El Cortijo“-Studios, das wohl ein idealer Ort für deine ungekünstelte, erdnahe Musik war. Ja, es liegt in den Bergen zwischen Marbella und Ronda, ein wunderschöner, einmaliger Ort, völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Wenn ich arbeite ,muss ich mich zurückziehen können – kein Femsehen, keine Zeitungen, nicht mal Musik. Wichtiger aber sind noch die Menschen, die in dem jeweiligen Studio arbeiten. Wenn du da an Poseure gerätst, fällt es dir erheblich schwerer, eine entspannte, natürliche Atmosphäre aufzubauen. Ich kann nicht arbeiten, wenn ich mich nicht wohlfühle.

Gibt es Songs auf dem neuen Album, die von einer bestimmten Stimmung, einer Umgebung geprägt sind?

Gewöhnlich praktiziere ich meinen privaten Voodoo, indem ich mich in eine spezifische Atmosphäre hineinversetze. Ich denke extrem visuell, jeder Song ist ein Bild in meinem Kopf, und deshalb mag ich auch nicht einmal Gemälde oder Fotos an der Wand, weil diese Bilder meine eigenen beeinträchtigen könnten. Als wir „Sweetest Gift“ aufnahmen, saß ich in einem abgedunkelten Raum, nur vom Mond erleuchtet, und die Stille hat die Atmosphäre des Songs geformt. Wenn ein Kind schläft, kannst du auch diese fast greifbare Stille spüren – es ist, als ob alles zum Stillstand kommen würde.

Bei „Slave Song“ war ich an einem Strand; ich hatte das Bild dieses Sklaven vor Augen, vor 100 Jahren, wie er mit anderen Leidensgenossen auf einem Sklavenschiff ist, mit ihnen singt und aus der Gemeinschaft seine Stärke bezieht Teil des Bildes war auch der visuelle Gegensatz: hier das Dunkel im Bauch des Schiffes, dort das gleißende Licht des Strandes.

Seit dem letzten Album sind acht Jahre vergangen. Ist das nicht ein seltsames Gefühl, all diese Jahre nicht zu arbeiten, nicht im Rampenlicht zu stehen – und doch auf Reisen stets mit der eigenen Musik konfrontiert zu werden?

Anfangs ist es schon befremdlich, irgendwo reinzukommen, im Hintergrund eine Sade-Platte zu hören und zu denken: „Wie seltsam! Sie klingt fast so wie ich“ – um dann festzustellen, dass man es wirklich ist! (Lacht) Wenn ich etwa in London durch Soho gehe, habe ich unsere Musik oft in Strip-Bars gehört. Du frequentierst Strip-Schuppen? (Lacht) Nein, ich kam nur dran vorbei und hörte, wie drinnen „Smooth Operator“ oder „The Sweetest Taboo“ gespielt wurden. Ich fühlte mich geehrt. Ich mag die Vorstellung, dass die Tänzerinnen einen Sade-Song zum Strippen wählen.

Hast du dich je mal an Karaoke versucht?

Einmal! Ich kam in eine Karaoke-Bar und erstarrte zur Salzsäule. Ich war mit meiner Nichte unterwegs, wir sollten in der Bar einen Freund abholen. Ich konnte mich zunächst nicht überwinden, wirklich reinzugehen. Nein, ich habe nicht gesungen, wahrscheinlich aus Angst nicht, weil ich keinen Idioten aus mir machen wollte. (Lacht) Wir hatten ein ähnliches Erlebnis in Sri Lanka, wo wir die Songs geschrieben haben. Die Einwohner der kleinen Ortschaft hatten einen gemeinsamen Abend mit den lokalen Würdenträgern organisiert, und einer beschwatzte mich wirklich dazu, „obur Love Is King“ zu singen. Nun ja, eine halbe Flasche Whiskey hat es halbwegs erträglich gemacht. Zum Glück gibt es keinerlei Aufzeichnungen von dem peinlichen Ereignis. Ich möchte einen Kommentar von dir zu folgendem Zitat: „Mir war der Luxus vergönnt, Musik machen zu können, die mit ihrer Zeit nicht in Einklang stand.“ Ja, das trifft wohl auf mich zu. Ich glaube, dass ich nur etwas Substanzielles abliefern kann, wenn ich absolut ehrlich und entspannt arbeiten kann und keinerlei Druck verspüre. Deshalb mache ich nicht jedes Jahr ein Album, sondern warte, bis es mich packt Wenn es mich nicht packt, könnte ich genauso gut Taxifahrer oder Gärtner werden. Es kümmert mich auch nicht, was gerade angesagt ist, welche Musik die Charts regiert oder wer die Band der Stunde ist. Ja, es ist ein Luxus, sich nur sporadisch auf das Musikgeschäft einzulassen und unbeirrt seine Musik zumachen – ob man nun mit seiner Zeit im Einklang steht oder nicht. Eine sehr wahre Beobachtung. Von wem stammt das Zitat? Joni Mitchell. Klar, hätt ich mir denken können. Ich bin völlig ihrer Meinung.

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