Schneeball-System

Ist die Musik von Polarkreis 18 eine Metapher für kühle Zeiten - oder dafür, dass nicht alle Jungs nur lahmen Indie-Rock spielen?

Dass der Name seiner Gruppe Polarkreis 18 in diesen Tagen – zu Recht! – häufiger in der Presse erwähnt wird, spielt Felix Räuber endlich ein paar dringend benötigte Argumente für die ewige Diskussion mit seinen Eltern in die Hand. Seht ihr, wird er sagen können, dafür habe ich all die Jahre weiter zu Hause gewohnt, die Schule vernachlässigt und von morgens bis abends vor dem Laptop an Songs getüftelt! Das beste Argument wäre natürlich das nun endlich fertige Debütalbum der fünfköpfigen Truppe, aber das werden die Eltern vielleicht nicht verstehen.

Für alle anderen: Als das Blur-Album „13“ vor einigen Jahren seinen Weg in Räubers Sammlung fand, haben sich ihm, der bis dahin lärmenden Rock spielte, „erstmals die experimentellen Möglichkeiten von Pop-Musik eröffnet“. Seither machen Polarkreis 18 grob an Radiohead, Sigur Ros und an die oft zitierten britischen Shoegazer-Bands erinnernde Musik, deren Reiz nicht zuletzt auf der instrumentenartig eingesetzten, flirrendbarmenden Stimme des Sängers basiert.

Beeindruckend ist zudem die manische Besessenheit, mit der die Band das komplette Werk selbst produziert hat. Und der aus dieser Detailversessenheit resultierende, für knapp 30-Jährige enorme musikalische Reifegrad. Offene Bezüge zur Dresdener Heimat der Musiker oder ganz allgemein zur deutschen Popkultur lassen sich indes nicht ableiten – zunächst! Bei genauerem Hinhören merkt man dann schon, dass diese Musik von Entwurzelung kündet. Von mechanischer Kälte und Entfremdung. Gleichzeitig vermittelt sie aber auch, und das ist das Kunststück, eine enorme emotionale Wärme und melancholische Trotzigkeit. Ob das den Eltern nun passt oder nicht.

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