Schwarzer Affe, weiße Frau

Sexprotz, Projektionsfläche, Pop-Mythos: King Kong, das berühmteste Monster der Filmgeschichte, wird 80 – und als Roman wiederentdeckt

Monsterfilme sind so alt wie das Kino selbst, aber erst „King Kong“ von 1933 emanzipierte das Genre endgültig. Die vorherigen Ungetüme, all die Vampire, Werwölfe, Dinosaurier, der Golem, Frankensteins Leichenflickschusterei, das Phantom der Oper hingen noch an der Nabelschnur der Literaturgeschichte, gingen zurück auf belletristische Vorlagen – am Anfang von „King Kong“ stand ein Treatment Merian C. Coopers. Dennoch erschien ein gutes Vierteljahr vor dem Kinostart ein Roman gleichen Titels. Der ist jedoch nicht viel mehr als eine flankierende Werbemaßnahme bzw. der Versuch, das Produkt auf verschiedenen Marktsegmenten kommerziell auszuschlachten. Cooper holte nach Fertigstellung des Scripts den semi-talentierten Mietschreiber Delos W. Lovelace ins Boot, der in Windeseile daraus das Buch zum Film zusammennietete. Und so liest sich die pünktlich zum 80. Geburtstag erschienene Neuübersetzung auch. (Walde & Graf, 19,95 Euro)

Die Dialoge sind durchaus stimmig, hier konnte Lovelace wohl auf das Drehbuch zurückgreifen. Aber schon bei der Profilierung des Personals können seine Worte nie auch nur annähernd die visuelle Präsenz der Schauspieler wettmachen. Fay Wray verkörpert Ann Darow, die „weiße Frau“, die Schöne, in die sich das Biest verguckt, als eine Mischung aus all american girl und lasziver Göttin. Im Roman bleibt das bloße Behauptung. Ein blondes Naivchen, das der maskulinen Belegschaft, ob Mensch oder Riesenaffe, jederzeit unterlegen und also zu Willen ist. Vollends scheitert Lovelace beim Set. Dass sich trotzdem Bilder einstellen, liegt einzig und allein an der Suggestivität der Filme von Cooper bzw. John Guillermin und Peter Jackson, die den Imaginationsraum bereits ordentlich vollgestellt haben mit spektakulären Kulissen und Spezialeffekten.

Es ist wie bei allen wirklich populären Phänomen die Vieldeutigkeit, die diesen Stoff zum Pop-Mythos machte. „King Kong“ ist deutlich sexuell konnotiert. In einer Szene entblättert er Ann, fasst ihr unter den Rock und riecht an seinen Fingern. Zugleich ist der rassistische Subtext offensichtlich. Er ist der „schwarze Affe“, personifiziert den überlebensgroßen Pimp, der sich an einer Weißen vergreift, während Driscoll, ihr Liebhaber in spe, das alles hilflos mit ansehen muss. Cooper spielt hier ziemlich dreist mit dem sexuellen Minderwertigkeitsgefühl des weißen Patriarchats, vergisst dann aber auch nicht, es am Ende wieder ins Recht zu setzen. King Kong wird in Ketten gelegt. Versklavt! Als er den Ausbruch wagt, macht man endgültig kurzen Prozess mit ihm. Erstaunlicherweise mochten Afroamerikaner den Film trotzdem. „Es war ihre eigene, ganz spezielle, großstädtische Gorilla-Guerilla-Fantasie“, schreibt die Filmkritikerin Pauline Kael. „Der König im eigenen Land sein, in Ketten von dort weggebracht werden, stark genug zu sein, um Missachtung und Trotz über die große Stadt hinweg zu brüllen, um schließlich mit einem ruhmreichen Ausbruch unterzugehen.“

Und noch eine Lesart drängt sich auf. Die „Machtergreifung“ der Nazis ging der Premiere nur ein paar Wochen voraus. Gerade hatte sich die braune Bestie erhoben, der deutsche Übermensch, der sich mit der Natur im Bunde glaubte und sie gern ausspielte gegen Kultur und Zivilisation, um seinen hybriden Machtanspruch zu legitimieren. Mit „King Kong“ wird er schon mal vorausgreifend vom Weltenthron gestürzt. Und es ist nicht umsonst „die gute alte Army“, die ihn da herunterholt. Die späteren „King Kong“-Adaptionen haben diese Lesarten erneut überschrieben. Am deutlichsten zeigt wohl die Figur der weißen Frau, wie sich die postindustrielle Gesellschaft mittlerweile gern sieht. Vom hilflosen Opfer hat sich Ann Darow bei Peter Jackson zur selbstbewussten Tierschützerin entwickelt, die dem toten Riesenaffen Kullertränen nachweint.

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