Selten klang bekiffte Söhne-reicher-Eltern-Musik so gut: THE ELECTRIC SOFT PARADE aus Brighton folgen dem unendlichen Nachhall des Beatles-Klavierakkords

Das Feuerzeugrädlein schnurrt, das Wasser in der Wasserpfeife gluggert und brodelt, und zwangsläufig wird irgendjemand high. Ein Hip-Hop-Soundeffekt, am Anfang des Titelsongs „The American Adventure“ von der neuen Platte des Duos The Electric Soft Parade aus Brighton, der Brüder Alex und Tom White, die fast alle Lieder zusammen komponieren und singen und fast die gleichen Instrumente spielen. Und die beide Anfang 20 sind, was vor zwei Jahren (als sie ja noch zwei Jahre jünger waren) immer lobend angemerkt wurde, wenn sich jemand vor Freude in die Hose machte, weil das erste Electric Soft Parade-Album so gut war.

Wie gesagt: Kiffer-Musik, das hätte man auch ohne den Soundeffekt verstanden. Not necessarily beautiful, but stoned. Wie bei den Super Furry Animals, Supergrass, der Beta Band, den Bees, The Coral, den Fläming Lips, Simian, Grandaddy, Qearlake. „Ich hab aus rein sozialen Gründen mit dem Rauchen angefangen“, entschuldigt sich Tom White, obwohl ihn noch keiner beschuldigt hat (außer einem Polizisten-Azubi, der ihn vor ein paar Monaten in seinem Lieblings-Kiff-Park in Brighton überraschend hopsnahm). „Wenn man bei einem Freund daheim rumhängt, im Studio, egal wo.“ „Ich kann zum Beispiel dieses Interview geben und dabei was rauchen“, sagt Alex und tut das auch. „Ich könnte nicht einfach eine Linie schnupfen – Wahrscheinlich wären die Super Furrys und The Coral nicht so beliebt, wenn dieser frühe Oasis-Stil das einzige wäre, die asmany-guitars-the-loudest-thing-raucous-noisy-top-end-cocaine-Platten. Das sind schon gute Platten, aber…“

Aber andersrum gesehen werden die bartlosen, jungen Psychedeliker – die von Hippietum und grüner Politik innerlich so weit entfernt sind wie die „Tower Records“-Filiale am Londoner Picadilly Circus von den Bauernhäusern der englischen Südküste – mit ihrer Musik nie so lebensverändernd auf irgendwelche Hörer wirken wie die erwähnten Oasis. Als defensiver Polsterlieger-Pop sind die Lieder der Electric Soft Parade freilich unschlagbar. Was für eine großartige Mittagsruhe, süße Schwermut, bescheidene Kehrreime, geatmeter Gesang, britisches Gezirpse, wie man es kennt, seit der abschließende Klavierakkord von „A Day In The Life“ von den Beades träge durch die Jahrzehnte hallt. Ihre Debütplatte sei doch alles andere als musikalisch revolutionär gewesen, sagen die Brüder selbst und widersprechen damit vielen Rezensenten. Ob es ihnen trotzdem eine Ehre war, als Newcomer so positiv beurteilt zu werden? Sie erwähnen es nicht.

Kinder wohlhabender Eltern sind sie, der Vater ist Leiter einer Sprachschule. Glückliche, relativ problemfreie Ex-Jugendliche, also das Feindbild für Rocker und typische Pop-Musiker. Tom wohnt noch bei den Eltern, Alex ist erst vor kurzem in eine WG gezogen. „Ich bin ganz froh mit der Musik“, sagt et „Meine Freundin zum Beispiel… ihr Vater ist Diplomat, er hat in Harvard und Oxford studiert. Sie geht jetzt auch zur Uni und sagt immer: ‚Du weißt doch, der Papa will das so.‘ Und viele meiner Freunde von früher sagen: Ich studiere einfach mal und schaue, was passiert. Von jungen Leuten wird erwartet, dass sie mit 16 oder 18 oder 21 schon genau wissen, was sie für den Rest ihres Lebens tun wollen. Der Druck ist kaum auszuhalten.“ Die Electric Soft Parade hat also erst mal Glück gehabt, dass sie ihr bürgerliches Pop-Hobby zum Beruf machen konnte – wahrscheinlich auch nur eine Übersprungshandlung, bis irgendwann der Ernst des Lebens kommt Die Freunde von früher werden zu dem Zeitpunkt vielleicht schon Ärzte und Anwälte sein.

Als Popstar versaut man sich wenigstens nicht die Karriere, wenn man im Park mit einem Joint erwischt wird. Kann bloß sein, dass die reichen Eltern einen deswegen rausschmeißen.

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