Sheryl Crow

Das Riff der Single konnte von Keith stammen, und auch der Rest ihres neuen Albums läßt ahnen, daß die gemeinsamen Gigs nicht ohne Folgen blieben. Stones-Fan war sie allerdings schon immer - während ihr das feministische Säuseln aus dem "Lilith Fair"-Lager von Tag zu Tag fremder und suspekter wird...

Es gibt Äußerungen, die sie ernsthaft daran zweifeln lassen, daß es im Musik-Geschäft so etwas wie kritische Kompetenz gibt Wenn etwa nach diesem Interview über sie zu lesen wäre, daß sie sich während des Gesprächs regelmäßig die Haare aus dem ungeschminkten Gesicht streicht – dann wäre sie darüber not amused. Die Schein-Informationen, das boulevardeske Geschwätz über Outfit und Attraktivität seien ihr letztlich schnurz, aber: „Solche Beobachtungen sind immer auch irgendwie sexistisch.“ Eher amüsiert als verärgert erzählt sie, daß „fast jeder Review meiner Konzerte mit der kritischen Analyse von Kleidung und Frisur beginnt; die Musik wird erst später und fast beiläufig kommentiert. Männlichen Kollegen wird dieser Schachsinn erspart. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, in einem Artikel über Mellencamp oder Springsteen gelesen zu haben, daß sie modisch gekleidet waren oder diesmal besonders schnuckelig aussahen.“

Also doch: Männer sind Schweine. „Nein, so einfach ist es auch nicht Es sind sogar primär Journalistinnen, die sich an diesen Banalitäten festbeißen. Eine Schreiberin, die mich auf Tour begleitet hatte, sonderte ellenlange Absätze darüber ab, wie ich mir hinter der Bühne die Locken drehe“, fügt sie kopfschüttelnd hinzu. „Männer schreiben vielleicht aus einer unbewußt sexistischen Perspektive; bei Journalistinnen registriere ich eher unterschwelliges Konkurrenzdenken. Wie auch immer: Ich muß mit beiden leben können.“

Die klassisch geschulte Musik-Pädagogin aus Missouri ist definitiv gelassener als noch vor zwei Jahren. Das kollektive Lob aus den Mündern von Keith, Bruce und Bob hat selbst leise nagende Zweifel verjagt, daß ihre Zukunft vielleicht schon mit dem zweiten Album beendet sein könnte. Daß ihre Erfolgskurve gleich mit dem Debüt geradezu explodiert war, hatte nicht nur die notorischen Zweifler und Mahner auf den Plan gerufen, sondern ihr auch die verbalen Attacken ihrer „Tuesday Night Music Club“-Kollegen eingebracht, die mit ihr 1993 das gleichnamige Debüt eingespielt hatten. Das Album war schon als Ladenhüter abgeschrieben worden, als es mehrere Monate nach Veröffentlichung doch noch in die Charts schoß. Erst zu dem Zeitpunkt fiel Produzent

Bill Bottrell und Co-Autor David Baerwald ein, daß sie von Crow nicht adäquat gewürdigt worden seien. Und ließen alle Welt wissen, daß diese undankbare Göre aus Missouri, die ihr trauriges Dasein im Background-Chor von Michael Jackson und Rod Stewart gefristet habe, doch nur dank ihrer männlichen – Hilfe nach oben gekommen sei.

Die Gescholtene antwortete auf ihre Art: Mit ihrem zweiten Album, das sie demonstrativ „Sheryl Crow“ nannte und weitgehend im Alleingang schrieb, bewies sie den unkenrufenden Schlammwerfern, daß sie ohne ihre Hilfe sogar noch furioser klingen konnte. 13 Millionen verkaufte Alben und fünf Grammys richteten das angeknackste Ego inzwischen so weit auf, daß sie die Schmutzkampagne endgültig abgehakt hat. „Shit happens. Erfolg verdirbt eben oft den Charakter derer, die ihn nicht haben“, sagt sie an die Adresse ihrer ehemaligen Mitstreiter. „Inzwischen haben sie sich in einem langen Brief für den Kreuzzug gegen mich entschuldigt.“

Die Zügel läßt sich das resolute Gewächs des Mittelwestens künftig jedenfalls nicht mehr aus der Hand nehmen. Um „The Globe Sessions“ ohne Fremdeinflüsse produzieren zu können, baute sie sich in der neuen Wahlheimat New brk ein eigenes Studio. 13 Songs hob sie dort aus der Taufe, ließ sich dabei aber erstmals von zwei weiblichen Musikern zur Hand gehen: Ex-Prince-Gitarristin Wendy Melvoin sowie Lisa Germano an der Geige. Sollte damit etwa die Frauen-Quote in ihrer Band erhöht werden?

„Die meisten Musikerinnen sind nun mal Solo-Acts und nicht Session-Leute, die du so einfach buchen kannst Wendy und Lisa passen jedenfalls ideal zu mir, das sind Musiker, die dich inspirieren und weiterbringen.“

Von „Girl Power“ ist dennoch wenig zu spüren – Sheryl hat eher die Melancholie entdeckt. In morbiden Balladen wie grim“zu vergleichen. Seit Gapton der „Sunday Times“ ausführlich schilderte, warum er sich von Kurzzeit-Partnerin Crow wieder getrennt hat, dürfte auch deren neues Werk Stoff für autobiographische Deutungen liefern. Worüber sich das Objekt der Spekulationen allerdings nicht beklagen „Anything But Down singt sie von treulosen Herzensbrechern, die sie derartig runterziehen, daß sie selbst drei Songs später noch immer die Welt in Schutt und Asche legen möchte. Dann wieder beklagt sie ihren „Favorite Mistake“ – was alle Hobby-Freudianer dazu animieren wird, ihre Zeilen mit Claptons Liebesleid-Liedern auf „PiYkann: Hat sie doch selbst schon des öfteren auf der Bühne einzelne Songs ihren weinerlichen Ex-Lovern zugeordnet Über Clapton aber mag sie kein Wort verlieren, schon gar nicht ein böses. „Es klappt eben nicht, wenn beide im selben Geschäft arbeiten.“

Auf dem netten Album scheint Dich der Katzenjammer befallen zu haben.

Wo ist die Sheryl Crow, die einst beteuerte: ^i4ll Iwannadois have somefun „?

Als ich nach der letzten Tour wieder mit dem Schreiben anfangen wollte, mußte ich feststellen, daß ich vor dem großen Nichts stand: keine Beziehung, keine Freunde, keine Wohnung, ja nicht mal mehr ein Auto. Ich war so lange unterwegs, daß mich meine Freunde nicht mehr anriefen, weil ich eh nie da war. Die wesentlichen Dinge im Leben fehlten einfach.

Und die suchtest Du gerade New York?

Ja, ich wollte ein neues Zentrum in meinem Leben. New brk ist eine inspirierende Stadt Ich brauchte Veränderung – und ich hoffe, das hört man auf dem neuen Album. Songs wie „There Goes The Neighborhood“ sind eine musikalische Reflexion meiner neuen Umgebung. Wenn ich ins Studio gehe, versuche ich immer, die Energie der jeweiligen Umgebung zu absorbieren. Als wir vor zwei Jahren in New Orleans waren, war es Delta-Blues und Voodoo. In New York liegt mein Studio in einem Viertel, wo die Fleischpacker, Transvestken und Heils Angels zuhause sind. Wenn mir nichts mehr einfiel, ging ich raus und saugte die Atmosphäre auf.

Genaugenommen hab ich alles aufgesaugt, was mir zu dieser Zeit durch den Kopf ging, dazu gehörte auch die

Debatte um Clintons Affäre. Die Tatsache, daß er fast öffentlich gelyncht wurde, ist mir schwer auf den Magen geschlagen – und tut es noch immer.

bt die US-Politik endgültig Teil des Show-Business geworden?

Der Vorfall ist vor allem ein Indiz für die verkrampften, fragwürdigen Moralvorstellungen der Amerikaner. Wenn der Präsident sich einen blasen läßt, tangiert mich das als Bürgerin dieses Staates überhaupt nicht Wir sollten einen Schlußstrich ziehen und Clinton Politik machen lassen.

Daß er vor der Kamera einen Meineidgeschworen hat, sollte man ihm also durchgehen lassen?

Sicher ist dieser Meineid problematisch; er wäre besser beraten gewesen, wenn er von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte. Andererseits: Ist es so unverständlich, daß er gelogen hat? Im Zweifelsfall wird jeder Mensch auf diesem Planeten eine Affare verheimlichen, wenn er sich selbst oder seine Familie schützen muß. Was ich weit skandalöser finde, ist dieser Lynch-Mob um Kenneth Starr. Der stöbert seit Jahren in Clintons Privatsphäre herum, nur um den Präsidenten fallen zu sehen. Man sollte mal wirklich einmal die Motive dieses Mannes und seiner Hintermänner etwas genauer durchleuchten. Die haben Millionen von Steuergelder kassiert, um eine Sache an die Öffentlichkeit zu zerren, die niemanden etwas angeht. Clinton macht eine erfolgreiche und effektive Politik. Er sollte sich gerade jetzt um andere Probleme kümmern können als um Monika Lewinsky. Während Rußland kollabiert und die Börse den Bach runter geht, zermartern wir uns den Kopf, ob unser Präsident wegen einer Affäre abtreten soll. Das ist doch grotesk. Thomas Jefferson hatte uneheliche Kinder mit einer Sklavin, Kennedy hatte diverse Mätressen. Das ist doch nicht neu! Ich habe einen Hidden Track aufs neue Album gepackt – er heißt „Subway Ride“ und behandelt genau dieses Thema. Man muß am Ende des Albums nur 30 Sekunden warten.

Du hast Hillary Clinton während einer Reise zu den SFOR-Einheiten in Bosnien kennengelernt. Wäre Sie eine bessere Präsidentin ab ihr Mann?

Hillary ist extrem smart und würde sicherlich eine exzellente Präsidentin abgeben. Clinton traf eine gute Wahl, als er seine Frau mit der diffizilen Reform des Gesundheitswesens beauftragte. Sie war der Idealkandidat und hatte großartige Ideen.

Aber ich habe keinerlei Grund, mich über Clinton zu beklagen. Er ist bisher ein außergewöhnlich guter, effizienter Prä-sident gewesen. Es wäre vielleicht an der Zeit, daß wir auch einmal eine Präsidentin bekämen. Aber gerade im Moment ist in der Bevölkerung wohl nicht genug Vertrauen vorhanden, um diesen Job einer Frau anzuvertrauen.

Der ROLUNG STONE hat vor kurzem Specials und Bücher veröffentlicht, die sich mit dem „Women in Rock“-Boom beschäftigten. Sind die Chancen der Frauen wenigstens im Musik-Geschäft gestiegen?

Es hat sich sicher vieles verbessert. Nicht nur, weil weibliche Acts gegenwärtig erfolgreicher sind als ihre männlichen Kollegen. Plattenfirmen und Radiostationen sind weit offener als noch vor zehn Jahren. Was mich irritiert, ist die Tatsache, daß der Erfolg von Frauen immer noch als ein ungewöhnliches Phänomen eingeordnet wird. Dadurch wird der Eindruck erweckt, als handele es sich wieder mal nur um einen flüchtigen Trend, der ebenso schnell wieder verschwindet.

Vielleicht wird sich das in fünf Jahren normalisiert haben. Dann sehen wir, ob Frauen wirklich Karrieren haben können wie Männer.

Warum hast Du Dich bei dem Frauen-Festival „Lilith Fair“ ausgeklinkt, obwohl Du bereits zugesagt hattest?

Zum einen war ich einfach müde und kaputt. Ich hatte keine Lust, mich gleich nach der Tour und den Aufnahme-Sessions wieder vor 30 000 Leute zu stellen und dann noch mit all diesen anderen Frauen zu konkurrieren. Ich halte dieses Frauen-Festival für keine besonders gelungene Idee. Vor zwei Jahren habe ich ja selbst bei einigen der Open-airs mitgemacht – es war zwar nicht unangenehm, aber ich

finde es prinzipiell unsinnig, Musiker nach Männlein und Weiblein zu trennen und dieses künstliche Biotop für Musikerinnen zu schaffen. Kunst ist Kunst, es gibt nur gute und schlechte.

Im Vorwort zu „Warnen ofRock“ erinnert die Journalistin Ellen Willis daran, daß für die Feministinnen der 70 Jahre die Rolling Stones ein rotes Tuch waren. Du hattest da keine Berührungsängste?

Ich habe eine Aversion gegen „Feminismus“. Die Feministinnen haben sich lächerlich gemacht, als sie anfingen, BHs zu verbrennen. Ich habe nie verstanden, warum Frauen meinen, sich männlich geben zu müssen, um sich in „a man’s world“ durchsetzen zu können. Natürlich mußte und muß das Ziel sein, daß Frauen die gleicheti Chancen haben wie Männer, daß sie genauso bezahlt werden wie Männner ohne dabei aber ihre Weiblichkeit verleugnen zu müssen. Du reduzierst dich doch nicht gleich auf das Klischee des „schwachen Geschlechts“, nur weil du es zuläßt, daß dir ein Mann die Tür aufhält; das ist doch nur eine nette Geste des Respekts. Ich habe jedenfalls kein Problem zuzugeben, daß ich Mick Jagger oder David Bowie sexy finde. Tina Turner oder Carly Simon allerdings auch.

Einmal hast Du gar behauptet, Du wärst am liebsten Mick Jagger.

(Lacht) Vielleicht wollte ich ja sagen, daß ich gerne mit Mick zusammenwäre. Nein, im Ernst Jagger projiziert wie kein anderer das Rock’n’Roll-Image, und er war dabei immer so androgyn, daß Männer wie Frauen fasziniert waren. Nicht mal im Traum würde ich behauptende eine derartige Ausstrahlung zu haben.

Ich kann mich noch erinnern, wie ich zum ersten Mal J-^t It Bleed“ hörte – und spontan den Wunsch verspürte, selbst Songs zu schreiben. Die Stones klangen, als kämen sie geradewegs aus Nashville, aber gleichzeitig war da der Blues, waren da all die Spurenelemente, die mir etwas bedeuteten. Es war wie Ybodoo.

Was war aufregender: die Duette mit Mick oder Michaeljackson?

Mit Mick Jagger und mit Bob Dylan zu singen – das waren schon Highlights meines Lebens. Als ich mit den Stones auf Tour war, haben Mick und ich oft „Dead Flowers“ und „Live With Me“ gesungen. Er hatte immer das volle Balz-Programm auf Lager, diese unglaubliche sexuelle Energie. Er schoß quer über die Bühne und bremste mit seinem Gesicht erst kurz vor meiner Nase ab. Und wenn du dann noch Ronnie, Keith und Charlie im Rücken hast, ist das für einen Stones-Fan wie mich schon ein surreales Erlebnis. Der bewegendste Moment war vielleicht der, ab ich in einem Club in Las Vegas mit Mick „Honky Tonk Women“ sang.

Wie kam es, daß Dir sogar Bob Dylan einen seiner Songs andiente?

Er hatte, als er gerade auf Australien-Tournee war, in „USA Today“ eine Ankündigung meines kommenden Albums gesehen. Die Platte war eigentlich fix und fertig, aber Bob rief trotzdem seinen Manager an, der wiederum mich im Studio anrief und sagte: „Bob hat diesen Song, den er nicht auf sein letztes Album nahm. Er hat das Gefühl, er würde gut zu Dir passen.“ Ich war ziemlich geplättet. Ich sagte meinem Manager: „Stoppt die Produktion, ich geh nochmal ins Studio, dieser Song muß auf das Album.“ Was soll ich sagen – „Mississippi“ ist ein klassischer Dylan-Song, da sitzt jedes Wort, da ist keine Zeile verschwendet. Es hat meinem Album die höheren Weihen gegeben. Ich hoffe, es gefallt ihm. Ich möchte ihn nicht enttäuschen.

Mit „Time Out OfMmd“ hat Dylan ein böses Album übers Altern geschrieben, Jagger singt immer noch „I wanna fuckyoursweetass“. Wer von den beiden schreibt heute die relevanteren Texte?

Dylan ist sicher derjenige, der mit seinem Alter am besten, am würdevollsten umgehen kann. Ich bin 36 Jahre alt, stehe genau in der Mitte zwischen Bonnie Raitt, Dylan und Clapton auf der einen – und den ganz jungen Künstlern wie Jewel auf der anderen Seite. Wenn du älter wirst, schreibst du auch anders – nachdenklicher und dunkler – über die Veränderungen in deinem Leben. Dylans Platte war in dieser Hinsicht so ehrlich wie seine frühen Platten.

Bei den Stones ist das anders. Jagger schreibt auch über etwas, das mit seinem Leben zu tun hat – eben diese „keep on rocking“-Attitüde. Das ist vielleicht seine Art, die Angst vor der Tatsache zu artikulieren, daß auch ein Mick Jagger irgendwann einmal abtreten muß. Was wäre er denn heute, wenn er kein Rock’n’RoUer mehr wäre! Niemand will alt werden.

Erschwerend kommt hinzu, daß Musik heute – geprägt durch die Clip-Sender – fast schon mehr ein visuelles als ein akustisches Medium ist: Du mußt immer schön, frisch und knackig aussehen. Nun Du kannst nicht ewig jung sein.

Ich möchte jedenfalls nicht in eine Situation kommen, wo man meinen Songs Bedeutungslosigkeit attestiert, nur weil ich ein bestimmtes Alter überschritten habe. Bei Picasso fragte man nicht, wie er aussah. Kreativität ist nicht an das Pensionsalter gebunden. Aber wir leben nun mal in einer Gesellschaft, die wahnhaft auf die Jugend fixiert ist und das Alter verachtet.

Vielleicht wird die Altersgrenze für Berufsjugendliche dank Viagru noch weiter nach oben verschoben.

Das ist nur eines von vielen Indizien für den Jugendwahn unserer Gesellschaft. Die Lebensspanne haben wir ja auch schon verlängert Statt das Altern als unumgänglich zu akzeptieren, statt die Menschen auf den Tod vorzubereiten, verlieren wir so den Respekt vor dem Alter. Bekanntlich wird nicht nur im Pop-Geschäft auf Teufelkomm-raus geliftet.

Und wie gehst Du selbst mit dieser Hysterie um?

Um ehrlich zu sein: Auch wenn ich das Phänomen grundsätzlich beklage, kann ich mich ihm nicht völlig entziehen. Wenn ich in den Spiegel schaue und die Veränderungen in meinem Gesicht sehe, kriege ich auch einen Schreck.

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