Smashing Pumpkins live in Berlin: Micky Maus, Jesus, Pentagramm
Die Smashing Pumpkins geben in Berlln ein energetisches Konzert. Billy Corgan ist gleichermaßen Metalhead wie Gott.
Die Alben der Smashing Pumpkins verkaufen sich nicht mehr all zu gut, also kann Billy Corgan jetzt sein, wer er will. Er war, das zeigen schon frühe YouTube-Videos vom damals noch langhaarigen 16-jährigen Corgan, schon immer ein Metalhead. Ozzy ist tot, Corgan war in Birmingham dabei, und so kommt er nun mit nostalgischem Gestus auf die Bühne: Er zeigt die Pommesgabel-Geste. Im Herzen mehr Hardrock als Alternative-Rock. Die zwei ersten Stücke des Berlin-Konzerts sind programmatisch. In „Glass Theme“ singt Corgan im Chorus „Rock and Roll!“, und Song Nummer zwei trägt die Mission schon im Titel: „Heavy Metal Machine“.
Rockgesten und ungleiche Aufmerksamkeit
Neu-Gitarristin Kiki Wong animiert zum Hände-über-den-Kopf-klatschen, auch dies ein Rock-Gestus – in der Indie-Szene der 1990er noch undenkbar. Ein Jammer, dass die Leinwandkamera Wong nicht in einer einzigen Nahaufnahme zeigt. Genauso wenig wie Bassist Jack Bates.
Und warum nicht? Weil sie, anders als Corgan, Gitarrist James Iha und Schlagzeuger Jimmy Chamberlin, nicht Gründungsmitglieder der Band sind. Sind eben doch nicht alle gleich bei den Pumpkins.
Die Smashing Pumpkins sind normalerweise keine Band, die drei Gitarristen benötigt. Da Wong aber die (live fehlenden) Keyboard-Parts auf ihrer Gitarre übernimmt, also im Gegensatz zum Oldie James Ihan sehr viele Soli zu spielen hat, wie in „Tonight, Tonight“, ist es fast schon bitter, dass sie keine eigene Übertragung erhält. Silberrücken Corgan beachtet sie eh nicht.
Fokus auf Jubiläumsalben
Im Mittelpunkt der 2025er-Tournee der Smashing Pumpkins stehen Songs der Jubiläumsalben „Mellon Collie and the Infinite Sadness“ (1995) und „Machina: The Machines of God“ (2000). „Machina“ wurde unlängst in einer prächtigen Deluxe-Version veröffentlicht, hat aber aufgrund des hohen Preises (signierte „Machina“-Box für rund 600 Euro) lange, sehr lange gebraucht, um den „Sold Out“-Sticker auf der Homepage zu erhalten.
Corgans verschrammte E-Gitarren erzählen wunderbare Geschichten. Hier hat die Bühnenregie nicht versagt, denn Corgans Gitarren sind in Großaufnahme zu sehen. Auf einer Gitarre klebt ein Obi-Wan-Kenobi-Sticker neben einem von Rush. Eine andere zeigt Sticker von Jesus, Micky Maus und einem Pentagramm, direkt nebeneinander geklebt. Corgan liebt Disney, er ist ein Republikaner, aber nicht unzweifelhaft religiös (zur Setlist gehört das „Machina II“-Lied „If There is a God“), und er kokettiert mit satanischen Symbolen und teenagerhaft formulierter Todesromantik (die Zeile „Love is Suicide“ in „Bodies“).
Humor und „Burg“-Diskussion
James Iha ist für die Straight-Face-Witze der Pumpkins zuständig, aber man muss schon von weit außerhalb Berlins kommen, wahrscheinlich vom amerikanischen Kontinent, um die Zitadelle Spandau wirklich für eine Burg oder ein Schloss zu halten – „we’re happy to be here at the castle, let’s rock!“. Corgan und Iha kennen den deutschen Begriff „Burg“, erinnern an die „Burg“ in Ludwigsburg, wo sie auch schon aufgetreten sind. Mit dem Berlin-Cover von „Take My Breath Away“ beweisen sie ein weiteres Mal Humor (ehrlich, der Song hätte auch auf „Adore“ erscheinen können), ein unsterbliches Lied, der drittberühmteste Song, der mit „Take“ beginnt, nach „Take On Me“ und „Take a Chance On Me“. Schade, dass der Jubel nicht noch größer ausfällt, da die Pumpkins einen Song der Band Berlin immerhin in Berlin aufführen.
Besser als im Vorjahr
Dieses Konzert der Smashing Pumpkins ist gut, besser als der Auftritt in der Berliner Wuhlheide im vergangenen Jahr, v0r doppelt so vielen Menschen. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch an den Shitstorm nach der Rezension, nur weil der Wuhlheide-Auftritt als eher routiniert als inspiriert bezeichnet wurde (größer war der Shitstorm nur nach der Rezension des Cure-Konzerts im Londoner Troxy, nur weil der Auftritt als eher gut eingespielt als eigens eingeübt bezeichnet wurde).
Die Pumpkins können im Ein-Jahres-Takt so viele mittelmäßige Alben veröffentlichen, wie sie wollen, „Atum“, „Aghori Mhori Mei“ – beruhigend ist doch nicht, dass sie in hoher Frequenz noch Platten herausbringen, sondern dass die Veröffentlichungen beweisen, dass überhaupt noch Leben in der Band ist und Corgan weiterhin Konzerte gibt.
Himmlischer Abschluss?
„Was für ein wunderschöner Abend“, sagt Billy Corgan und zeigt in den blauen Himmel. Einer der wenigen blauen Berliner Himmel seit einem Monat. „Ich selbst habe den Regen aufgehalten.“ James Iha antwortet darauf: „Das war eine weise Entscheidung“.
Eine Entscheidung. Corgan hatte also die Wahl. Corgan hätte sich also auch anders entscheiden können. Für Sturzbäche. Eine subtile, humorvolle Kritik des Mietgitarristen Iha. Denn sein Boss Corgan beherrscht das Wetter, ist der Gott.