So hart kann Folk sein: Midlake live in Berlin

Am Mittwoch spielten die texanischen Prog-Folker erstmals ohne ihren alten Sänger Tim Smith in Berlin.

„Abgestanden und leblos“ sei es, schimpfte Tim Smith über Midlakes neues Album, als dieses noch gar nicht erschienen war. Kurz darauf stieg er als Sänger aus, bereits gemachte Aufnahmen wurden verworfen. Sechs Monate später stampften die verbliebenen Bandmitglieder dann „Antiphon“ aus dem Boden, eine völlig neue Platte mit Gitarrist Eric Pulido statt Tim Smith am Hauptmikro. Deren Stimmen ähneln sich genug, um uns glauben zu lassen, es habe sich gar nichts geändert. 

Der Abend im Lido wird nostalgisch mit „Young Bride“ und „We Gathered In Spring“ von ihrem Zweitling „The Trials Of Van Occupanther“ aus dem Jahr 2006 eröffnet. Auf Platte sind das filigrane Folk-Stücke. Auf der Bühne hüllen Midlake das Zerbrechliche in harte Gitarren. So hart es im Folk halt werden kann. Wer sich auf einen lauschigen Abend eingestellt hat, wird enttäuscht. „Antiphon“, der Titelsong des neuen Albums, unterstreicht das. Ein ruheloser Sturm aus Chorgesang und Orgelflächen. Aber auch wenn die Gitarren laut sind und die Drums ordentlich bearbeitet werden, zeigen die Texaner Gefühl. Sei es mit Pulidos klarer Stimme oder an der Querflöte.

Wehmut ist Midlakes bester Freund und die spürt man in jedem Stück. „The Courage Of Others“ vom gleichnamigen Album hängt die schweren Akkorde wie ein Damoklesschwert über den gefüllten Saal. „I will never have the courage of others / I will not approach you at all“, singt Pulido in Smiths Namen. Ein Gemenge aus Demut und Trübsal, das erst einmal verdaut werden will. Sieht man über den Pathos hinweg, fällt sofort das Können der sechs Musiker ins Auge. Es sitzt jeder Ton und die ausgiebigen, aber nie überzogenen Soli werden inbrünstig vom Publikum gefeiert. Der Hit „Roscoe“ kommt noch vor der Zugabe, damit diese von einem zehnminütigen Jam gefüllt werden kann. Irgendwo müssen sie ja ihre Jazz-Vergangenheit ausleben. Nicht unbedingt nötig, aber fulminant allemal. Tim Smiths Abwesenheit, so betrüblich sie auch ist, stört jetzt niemanden mehr. Midlake können gerne noch ein paar Jährchen so weiter machen.

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