So war das Lost In Music Festival in Tampere

Im Rahmen unserer Festivalberichterstattung waren wir in diesem Jahr auch gelegentlich außerhalb der Landesgrenzen unterwegs: Zum Beispiel im finnischen Tampere, wo sich die finnische Musikbranche einem internationalem Publikum präsentierte.

Oft ist es ja so: Man gibt viel Geld dafür aus, ein Festival in einem anderen Land zu bereisen, nur um dann festzustellen, dass man sich das auch hätte sparen können – weil die internationalen, bzw. angloamerikanischen Acts nunmal die Line-ups dominieren und für das Lokale bisweilen wenig Platz bleibt.

Auf dem Lost in Music, einem kleinen Festival im finnischen Tampere ist das anders: Hier präsentiert sich tatsächlich der finnische Nachwuchs. Die Acts, die entweder in ihrer Heimat bereits funktionieren, oder die man der internationalen Bookergarde ans Herz legen will. Das Lost In Music Festival ist dabei sozusagen der Unterhaltungsteil einer Zusammenkunft, die sich Music & Media nennt – ein Branchen- und Musikjourno-Event, bei dem man eifrig „meetet und greetet“ und sich die finnische Branche ein wenig selbst feiert. So wurden am Wochenende sozusagen die finnischen Echos verliehen, was für einen internationalen Gast bedeutete: Dreieinhalb Stunden finnische Moderation (von einem Ex-Pornostar, wie man vom finnischen Nebenmann erfuhr) und eine Awardfülle, die sich vor den über 100 Grammy-Kategorien nicht verstecken muss. Was allerdings nicht spöttisch gemeint ist: Hier werden sogar Preise an den „Best Independent Record Store“ verliehen – da macht man also was richtig.

Zumindest der Music & Media-Part ist in der Branche etabliert und wird auch von den internationalen Gästen geschätzt. Die Wege sind kurz, weil fast alles im größten Hotel der Stadt stattfindet, die Meetings ergiebig und die Gästeliste mehr als vorzeigbar.

Wie bereits erwähnt, bekommt manim Festivalpart einen sehr guten Einblick in die finnische Musikwelt – mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Denn gegen eines kann man sich, selbst als aufgeschlossener Musikmöger, nicht wehren: Die Sprachbarriere bei finnisch singenden Acts ist schier unüberwindbar, weil man nicht nur so wirklich gar nichts versteht, sondern auch das unfaire Gefühl entwickelt, Finnisch sei schwer in Rhythmen zu zähmen. Was natürlich totaler Quatsch ist, gerade wenn man aus Deutschland kommt, wo man ja auch nicht von so vielen deutschsprachigen Acts behaupten kann, sie wüssten, wie man mit der deutschen Sprache umgeht.

Es bleibt dennoch oft Ratlosigkeit: Zum Beispiel wenn man sich am Donnerstag in der zur Spielstätte umfunktionierten Hotelbar des Hotel Ilves die Künstlerin Mariska anschaut. Totempfahl-Tattoo auf der Schulter, ärmelloses Lederoberteil, Ethno-Haarpracht und Refrains die schon mal so klingen: „Dingdingdongringedingdungdong“. Ihre Bühnenbewegungen muten an, als empfehle sie sich als finnische Nena, aber die Dame ist, wie man später erfährt, ursprünglich eher dem Rap zuzuordnen. Was dann vielleicht auch erklärt, warum die Frauen im Publikum hin und wieder dreckig lachen und die Männer johlen.

In Henry’s Pub, nur eine Straße weiter, geht es dann recht britisch zu: Die Stockers! empfehlen sich auf der kleinen Bühne als Indie-Sonnyboys und deuten zumindest an, dass sie mal einen kleinen Hit landen könnten – und dass sie viel Franz Ferdinand gehört haben. Man müsste den wirklich noch sehr jungen Herren nur noch mal mit auf den Weg geben, dass es eben nicht nur auf den Look ankommt. Ihre Performance wirkte bisweilen ein wenig gehemmt, als hätte man Angst, man könne die Tolle ruinieren.

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Das war im Club Klubi bzw. in der zugehörigen Konzerthalle Pakkahuone wenig später anders: Da schüttelten die ebenfalls recht jungen Sturm Und Drang ihre Matten wie nix Gutes und boten einen routinierten Metal an, der klang, als hätten die schon mit fünf angefangen, Metallica in der Garage nachzuspielen.

Der Freitag hatte dann gleich zwei Highlights – und das auch noch an gleicher Stelle: Wieder ging man in Richtung Klubi, wohl DIE Konzertlocation in Tampere, diesmal um die zauberhafte Mirel Wagner zu sehen, die ja unserer Leserschaft keine Unbekannte ist. Zaghaft, fast schüchtern, nahm sie auf der Bühne Platz, inmitten einer Nebelwolke, die ebenso bedrohlich wie wunderschön die Künstlerin umschloss (was man auf dem Foto sehr schön sehen kann). Songs wie „To The Bone“, „Despair“ und „No Hands“ wirkten mit dieser ebenso simplen wie schönen Inszenierung geradezu betörend bedrohlich.

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Ärgerlich nur, dass man jäh aus der Trance gerissen wurde, als der nächste Act in der Nebenhalle die Bühne betrat – mit voller Band im Rücken, was Miss Wagner natürlich keine Chance ließ, dagegen anzuspielen. Und das war dann auch noch einer dieser Acts, die man einfach nicht versteht: Stig, so hieß er, und sah mit seinen blondierten Vokuhila-Haaren unter der Truckercappi aus, als sei er aus einer von RTL produzierten Ruhrpottraststättencomedyserie ausgebrochen. Sein Sound klang allerdings nicht nach einer Raststätte in Oer-Erkenschwick, sondern eher nach Spülstation in der Jazzkantine.

Dann doch lieber die French Films, ebenfalls junge Finnen, die recht englisch klingen und im Gegensatz zu den Stockers! am Vorabend die richtige Einstellung mit auf die Bühne brachten. Diesen Jungs kaufte man eher ab, dass sie Bock haben, auf das, was sie da raushauen. Und wie sie dann noch pathetische Popmusikmomente mit schrabbelnden Indie-Gitarren und UK-erpropten Hit-Riffs kombinieren – das hatte schon was. Klar, hat man so auch schon oft gehört, aber das macht doch nix, wenn es Spaß macht.

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Am Samstag gab es dann ebenfalls einen gelungenen Abend und somit den perfekten Ausklang. Nach dem bereits anfangs erwähnten Award-Marathon raffte man sich auf, die Location Telakka zu besuchen, eine extrem gemütliche Mischung aus Café und Bar, in der sich das Line-up des Abends gut machte. Als da wären Eva & Manu, die zwar heißen, wie das Pärchen von Nebenan, musikalisch aber alles andere als langweilig daherkommen. Schöne Menschen, schöne Lieder, das ein oder andere Indie-Cover und ein ruhiges, einen langsam überzeugendes Bühnencharisma.

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Selbiges ließ sich von Phantom sagen – eine junge Dame, die sich als dunkles Gesamtkunstwerk inszeniert und musikalisch versucht, die Musik nachzuspielen, die ihre Eltern vielleicht als Frühgrufties in den 80er gehört haben. Danach hätte man dann vermutlich ins Bett gehen sollen, aber da war ja noch der ein oder andere Award zu feiern.

Also ließ man sich von den finnischen Kollegen zur Party des großen Gewinners des Abends ziehen, um da bis in die frühen Morgenstunden das zu machen, was man auf Partys eben so macht. Ein Abschluss, der zwar zu Kopfschmerzen führte, aber auch zu der Erkenntnis, dass man in den Händen guter Gastgeber war…

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