Social Distortion singen über „Hard Times And Nursery Rhymes“

Das neue Social Distortion-Album - das erste seit sechs Jahren - wird ab heute auf der Bandwebsite gestreamt und erscheint bei uns am kommenden Freitag. Hier die Rezension von Daniel Koch, eine Live-Performance und Mike Ness in his own words.

Zurücklehnen statt Kämpfen: Mike Ness macht es sich auf seinem neuen Album „Hard Times And Nursery Rhymes“ gemütlich, drosselt oft das Tempo, entfernt sich vom Punkrock und kommt dann doch immer wieder mit typischen Social D-Nummern um die Ecke. Ob das funktioniert, kann man nun im Albenstream überprüfen. Im Anschluss an den Stream und die Rezension von Daniel Koch gibt es ein Videointerview mit Mike Ness und eine Live-Performance der Single „Machine Gun Blues“. Weitere Infos zur Band und zu etwaigen Tourplänen gibt es auf www.socialdistortion.com. Im kommenden Heft: Wolfgang Doebeling trifft Mike Ness.

Social Distortion – Hard Times And Nursery Rhymes by Epitaph Records

Mike Ness pflegte die Gitarre auf die Kniehöhe zu spielen, während er bärbeißig und stiernackig mit gefletschen Zähnen ins Mikro hinauf sang. Das war zumindest bis zur „White Light White Heat White Trash“-Platte so (die damals vom ahnungslosen Majorlabel zum „Newcomer-Preis“ angepriesen wurde). Dazu bellte er: „Don’t drag me down, motherfuckers!“ Von diesem Anblick muss man sich nach „Hard Times And Nursery Rhymes“ endgültig verabschieden: Nun regiert ein selbstsicheres Zurücklehnen anstelle der Kampfhundpose, eine entspannte Rückenlage am Mikro, zu der es sich formidabel Stones-Riffs aus der Gitarre schrubben lässt wie im Falle der ausdrücklichen Referenz „California (Hustle And Flow“), die sogar einen Gospelchor aufbietet. Oder aber man lässt die Pedal Steel regieren wie in „Bakersfield“, wo Ness hoffentlich augenzwinkernd für ein paar Sekunden in den US-Mainstream-Country-Sumpf hinabsteigt und singt: „So I walked out that lonely truck stop/ With my head hangin‘ down.“

Man ahnt es schon: Mike Ness, der hier zum ersten Mal auch als Produzent fungiert, probiert sich nun auch unter dem Banner seiner Band aus und trennt nicht mehr zwischen dem intimeren, aber auch stilistisch offeneren Solowerk und den bisher doch mit zwei bejeansten Beinen im Punkrock stehenden Social Distortion. Die Folge: Der Background-Gospel in „California“ wird Puristen verstören, das im Westcoast-Punk startende „Can’t Take It With You“ im souligen – ja, genau: souligen – Refrain für Kopfkratzen sorgen, der besagte Part in „Bakers field“ gar dem Truck-Stop-hörenden Onkel gefallen (bevor dann gottlob der an „Ball And Chain“ gemahnende Refrain reinkickt).

Recht gelungen ist das alles dennoch, und Ness stellt diesen Ausflügen – die logisch und mutig sind, wenn man seine Vorbilder kennt – einige der feinsten Social-D-Nummern entgegen. „Far Side Of Nowhere“ ist die 54er-Chevy-raus-Braut-rein-Fuß-aufs-Gaspedal-Nummer, die „Highway 101“ auf „Sex, Love and Rock’n’Roll“ und „I’m In Love With My Car“ auf seinem ersten Soloalbum war. „Machine Gun Blues“ ist die obligatorische Liebeserklärung an die „gangster, junkies, winos, pimps and whores“, die er dort besingt. „Gimme The Sweet And Lowdown“ wiederum trifft genau die Balance aus Hartgesottenheit, Melancholie, Siegeswillen und Loser-Pose, die die besten Social-D-Songs ausmacht.

Und als wolle er mit dem letzten Song noch einmal klarstellen, dass am Ende alles wieder gut wird, dass er stilistisch dazuge-, aber nichts verlernt hat, haut Mike Ness mit „Still Alive“ eine Hymne raus, die man locker der „Story Of My Life“ an die Seite stellen könnte: „And the times have changed my friend/ I be here to the bitter end/ and I’m here to take my stand/ With the guitar in my hand.“ Und diese Gitarre kann eben nun auch ein paar andere Klänge. (Epitaph)

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Daniel Koch

Mike Ness über das neue Album:

„Machine Gun Blues“ live bei Jimmy Kimmel:

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