Songs der alten Schule: Willy Porter legt ein brillantes Debüt-Album vor

Seit fünf Stunden warten wir auf Willy. Sein Flieger aus Amerika kam zu spät, der Anschluß wurde gestrichen, das Gepäck ist zwar da, aber Willy ist weg. „Wir wissen im Moment nicht, wo Willy ist, aber das ist kein Problem. Er findet immer seinen Weg.“ Gary Stammler, der iua. die Geschicke von Crowded House erfolgreich lenkte, sagt das mit der Unerschütterlichkeit eines L.A.-Musiker-Managers. Und: „Ich habe Willy vor zwei Jahren gehört und sofort unter Vertrag genommen.“

Was für einen unbekannten Troubadour aus Milwaukee wie ein wahrgewordenes Märchen klingt, ist es natürlich nicht. Fünf Jahre Tingeln waren notwendig, bis Porter seine Songs über „Träume mit Eselsohren“ auf „Dog Eared Dream“ Ende *95 vorstellen konnte. Zwei Jahre zuvor gab es bereits eine Mini-Ausgabe von Porter-Songs, doch diesmal stand Mix-Guru Neil Dorfsman hinter dem guten Sound – und Willys Lieder klingen, als seien sie schon immer unter uns gewesen. Die elf Songs wurden in zwölf Tagen daheim in Milwaukee mit Freunden eingespielt, nur unterbrochen durch die Glocke der Kirchturmuhr. „Glücklicherweise schlägt sie nur die volle Stunde. So entstand ein angenehm geregelter Arbeitsrhythmus.“

Porter stammt aus einer bodenständigen Familie mit Liebe zur Musik; Vater Jim ist Hobby-Jazz-Pianist, Mutter Cate Chorsängerin. „Und dann war da unsere aufgedrehte, verrückte Großmutter. Sie hat immer Theaterstücke für uns Kinder geschrieben und aufgeführt, hat getöpfert und gesungen, uns alle ermutigt, frei und schöpferisch zu sein.“

Zunächst aber wurde erst einmal Psychologie und Jura studiert – mit dem Ziel, Umwelt-Anwalt zu werden; Musik war nicht mehr als ein Hobby. Und trotzdem waren es nicht die anderweitig kreativen Geschwister, sondern er, der von der Muse zum Profi-Musiker geküßt wurde. „Meine Geschwister sind mir trotzdem eine unschätzbare Hilfe. Mein Bruder Tom ist praktizierender Zen-Buddhist. Als es mit meiner Musik mal nicht recht weitergehen wollte, sagte er nur: JBe here now.‘ Er gab meinen Träumen erst die richtige Perspektive.“ Porter versucht nach wie vor, sein Engagement auch als Musiker zu Gehör zu bringen. „Trees Have Soul“ etwa ist einer seiner frühen Songs. „Es ist zwar eher unwahrscheinlich, daß ein waldrodender Viehzüchter in Brasilien durch meine Texte ins Grübeln kommt, vielleicht aber der eine oder andere Fleischkonsument.“

Ansonsten singt er vom aidskranken Freund, vom trinkenden Nachbarn – und von der Liebe. „Mit Abstand am schwersten. Denn Songs halten dir gnadenlos den Spiegel vor.“ Er bewundert Pete Droge und Joni Mitchell, und als er im letzten Jahr erstmals in Europa auftrat, war er unangekündigt das Vorprogramm von Rickie Lee Jones. Das Publikum war zunächst ratlos, dann kamen Raunen, Staunen und Begeisterung. Als er in London ankündigte, am nächsten Abend ein Solo-Konzert zu geben, rechnete man mit 50 Leuten. Der Laden war rammelvoll. „Ein glücklicher Moment. Da dachte ich: So ist es also, wenn man es schafft.“ Was man nicht erreicht, kann man sich immer noch erträumen. „Mein Traum war es, ein richtiges Album rauszubringen, ohne alles selbst finanzieren zu müssen. Und vor allem: ohne diese ständigen Instant-Nudelsuppen. Der Traum ist wahrgeworden.“ Und Willy träumt weiter.

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