Sounds: mit Cut Hands, Vatican Shadow und Prurient

Der Blues scheint verflogen, es bleiben die Sounds: unsere monatliche Kolumne von Redakteur Jens Balzer. Im Monat April mit: Cut Hands, Vatican Shadow und Prurient

Krümm dich wie ein verfickter Aal! Mit unzweideutig erotischen Angeboten wie diesen wurde William Bennett Anfang der 80er-Jahre zu einem der bekanntesten Vertreter der Industrial-Musik. In seiner Band Whitehouse ließ er die Synthesizer in den höchsten Frequenzbereichen fiepen und schreien; dazu vibrierten und interferierten die Bässe in kalkuliert unangenehmster Weise; und Bennett – „wiggle like a fucking eel!“ – provozierte sein Publikum schreiend, fuchtelnd, fluchend und fäustereckend so lange, bis noch der gelassenste Zeitgenosse aus der Ruhe geriet. Große Kunst! Von 1980 bis 2007 brachte er unter dem Namen Whitehouse 20 Platten heraus; besonders erwähnenswert ist „Thank Your Lucky Stars“, 1990 von dem geistesverwandten Steve Albini produziert.

In seinem neuen Projekt Cut Hands widmet Bennett sich nun den nicht vergehenden Schmerzen der Kolonialismusgeschichte. Bei Reisen durch Afrika hat er Perkussionsinstrumente aller Art gesampelt, deren Sounds und rhythmische Muster sich nun mit den schneidend-schmerzenden Tönen aus dem Whitehouse-Repertoire verbinden. Nicht alle Songs auf dem Debüt „Black Mamba“ (Susan Lawly) sind so konsequent wie das Titelstück – aber dieses gehört fraglos zum Besten, was Bennett je produziert hat: Mit grob schallender Metall-Percussion werden ritualistische Rhythmen geschlagen, immer wieder überspült und unterwühlt von rauschend brausendem Noise. Bei seinen Konzerten zeigt er dazu wacklig verbleichende Filme vom Beginn des 20. Jahrhunderts, in denen man etwa versklavte Afrikaner in den Parade-Uniformen ihrer Unterdrücker sieht. Faszinierend – und ergreifend –, wie aus dem eigentlich so maskulinen Störgeräuschkrach plötzlich ein zärtliches Requiem wird: durch den Kontrast zwischen Bildern und Sounds, zwischen gegenwartslosen Schmerzklängen und den geschichtsgesättigten Rhythmen und Samples.

Zu den prominentesten und produktivsten Schülern von William Bennett zählt der New Yorker Produzent Dominick Fernow, seit Ende der 90er-Jahre hat er unter den verschiedensten Künstlernamen eine unübersehbare Vielzahl an Schallplatten, Downloads und MusiCassetten herausgebracht. Unter dem Namen Prurient kombinierte er bislang zumeist basslastiges Brummen mit ebenso ohren- wie nervenzerfetzendem white noise. In dem Projekt Vatican Shadow spielt er hingegen farbentsättigten Techno mit Samples aus sakraler Musik und militärisch-marschmusikartigen Rhythmen; diese Stücke tragen dann Titel wie „Mural Of Saddam“, „Pakistan Military Academy“ oder „Kneel Before Religious Icons“. Auf seinem eigenen Label Hospital Records hat Fernow soeben ein opulentes Triple-Album namens „It Stands To Conceal“ herausgebracht, das die bislang nur auf Tape erhältlichen ersten drei Vatican-Shadow-Alben „Jordanian Descent“, „Ghosts Of Chechnya“ und „Atta’s Apartment Slated For Destruction“ in remasterter Form wieder zugänglich macht.

Religionskritisch weniger ambitioniert, aber musikalisch konzentrierter und jedenfalls deutlich tanzbarer geraten ist Fernows neues Album als Prurient. „Through The Window“ (Blackest Ever Black) beginnt mit stimmungsvoll verwehtem Gebrumm und von tief unten heraufschallenden Beats; doch entfalten sich daraus bald die dunkel-erotischsten Techno-Tracks, die man sich vorstellen kann. Das Titelstück steigert sich binnen Minuten aus harmlosem Geplucker in einen byzantinischen Rausch, geschmückt mit Hecheln und Flüstern: „Big things grow much bigger/ and need bigger things inside them.“

Diesmal vorgestellt:

Cut Hands – Black Mamba ****

Vatican Shadow – It Stands To Conceal *** 1/2

Prurient – Through The Window **** 1/2

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