Soundtracks fürs Auge, Tapeten für die Seele

Das Rock-Poster, lange Zeit totgesagt, feiert eine überraschende Renaissance. Der Prachtband Art Of Modern Rock setzt der neuen Illustratoren-Generation ein verdientes Denkmal

Sie schienen ein integraler Bestandteil der 60er Jahre zu sein, vor allem jener Szene, die man gemeinhin „Westcoast“ nannte – und die sich dadurch auszeichnete, dass psychedelische Ingredienzen in hoher Dosierung und Quantität scheinbar ungefiltert in die Musik einflössen. Die improvisatorischen Expeditionen von San-Francisco-Bands wie Quicksilver Messenger Service, Jefferson Airplane und Grateful Dead lebten von ihren visuellen Assoziationen, doch als die Zeit der artifiziellen Räusche abzuklingen begann, hatte auch der klassischen Poster-Art das letzte Stündlein geschlagen. In der Disco-Ära pappten allenfalls Banausen einen öligen John Travolta an ihre Schlafzimmerwand, während die anschließende Punk-Generation zwar durchaus bemerkenswerte Artefakte hinterließ, doch statt Spritzpistole und Siebdruck eben die seriellen Segnungen der Xerox-Maschine bevorzugte.

Eine unerwartete Renaissance bahnte sich Mitte der 80er Jahre an. Und wieder war es die Musik, vor allem das Auftauchen zahlloser Indie-Label, die mit einem neuen Interesse an individuell gestalteten Visitenkarten Hand in Hand ging. In den „Armadillo World Headquarters“ in Austin/Texas scharte Frank Kozik Gleichgesinnte um sich, um aber schon bald wieder San Francisco zum Mekka der Poster-Artisten zumachen.

Die Techniken mögen sich im digitalen Zeitalter geändert haben, doch geblieben ist die Liebe zum Detail, mit dem man die Identität eines Acts visuell umzusetzen versucht. Noch immer gibt es Old School-Grafiker wie Gary Grimshaw (der in den 60er Jahren Hausmaler in Detroits „Grande Ballroom“ war und dort die legendären MC5-Poster produzierte), die auch heute noch den bewährten Mix aus Typografie und leuchtenden Siebdruckeffekten praktizieren. (Das White Stripes-Poster auf S. 3 in diesem Heft stammt von ihm.) Andererseits hat die Generation der Emeks, Derek Hess‘, Rick Griffins und Frank Frazettas auch völlig unorthodoxe Techniken entwickelt und so der Poster-Art neue Dimensionen erschlossen.

„The Art Of Rock“, 1987 erschienen, hatte in akribischer Spurensuche die Highlights der 60er Jahre zusammengetragen. „The Art Of Modern Rock“, von den gleichen Herausgebern initiiert, dokumentiert nun die letzten 20 Jahre. Das Resultat ist nicht minder opulent wie der Vorgänger.

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