Spontane Abenteuer – Bill Frisell kostet solo musikalische Freiheit aus

Wenn man Country & Western rückwärts spielt, kriegt man bekanntlich erst seine Frau zurück und dann sein Pferd. Wenn Bill Frisell beim Konzert in der Münchner Bongo Bar klingt wie C&W im Rückwärtsgang, lächern höchstens ein paar Damen im Publikum verzückt Jedes Mal, wenn Bill auftritt, vervielfältigt sich der einsame Avantgardist mit der Gitarre und den vielen Effektgeräten. Dann startet er per Fußschalter einen Loop, den er kurz vorher live produziert hat Ein tapferer Musikarbeiter, der für seinen One-man-band-Kraftakt keinen Samples zuspielenden Assistenten gebrauchen kann, weil es ihm um ein ganz spontanes Abenteuer geht: „Die totale Freiheit macht Soloauftritte für mich interessant Ich fange einfach an zu spielen, mag mich lieber überraschen als Vorproduziertes mitzubringen.“ Da mündet Ry Cooder in Thelonious Monk, wird ein John Zorn-Rückblick auf schrägere Zeiten zur naiven Hymne, zeichnen sich Grooves ab, die raffiniert davon leben, was Frisell nicht spielt, aus der Welt des R&B entlehnte Grooves, an die sich der Gitarrist derart vorsichtig ranpirscht, dass manche Zuhörer wie erlöst aufatmen, als er endlich auf den Punkt kommt Auf Bills erster Solo-CD bleibt dem Hörer diese produktive Folter erspart Zwar würde kein noch so bodenständiger Folksong klingen wie auf „Ghost Dog“, hätte sich der Gitarrist der Welt des C&W nicht auf jahrelangen Umwegen über freie Improvisationen genähert Aber das Bodenständige überwiegt, der Ideenfluss wirkt weniger spontan, obwohl Frisell betont: „Ich wusste nur, dass ich das Studio fünf Tage lang zur Verfügung haben würde. Kein Plan also, nur ein paar Skizzen und Songs, die ich spielen wollte. Ich fühle mich Cassandra Wilson verwandt, die alte Bluessongs ausgegraben hat, aber auch Joni Mitchell oder Neil Young. Mich faszinieren Zeiten, in denen noch nicht klar abgegrenzt war: Der spielst schwarze Musik oder weiße.“

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