Stadtreisen und Landpartien

Der amerikanische Songwriter Josh Rouse verlässt sich intuitiv darauf, wo Kreativität und Schicksal ihn hinführen - auch wenn er dafür zwei Wohnsitze braucht

Es ist inzwischen gut drei Jahre her, da ging Josh Rouse nach Spanien. Der Liebe wegen, aber auch des Überdrusses: Amerika sei zu laut, schimpfte Rouse damals und beschwerte sich über Werbebanner und Dauerbeschallung. Die ausgerechnet „Trashville“ betitelte Platte war just fertig, als Rouses Flugzeug von eben dort abhob, und dieses Album war seine bis dato größte Errungenschaft, weil die Lieder so zeitlos waren und mit der Souveränität der Alten immer auf den Punkt kamen.

Es wurde dann nicht recht etwas aus der Stadtflucht; bloß ein halbes Jahr hielt Rouse es in dem kleinen Städtchen Altea aus, in dem es kein Kino und schon gar keine Live-Musik gibt. Schon während der Aufnahmen zu „Subtitulo“, die Rouse mit seinem damaligen Produzenten Brad Jones im Studio des neu gewonnenen Kumpels Paco Loca machte, lebten Rouse und Freundin Paz Suay in Valencia. „Ich bin in Nebraska aufgewachsen, und ich fühle mich auf dem Land wohl“, sagt Rouse, „aber ich habe doch auch einen ziemlich großen Kulturhunger, der gestillt werden will.“ Weshalb Rouse und Suay jetzt ein Apartment in Brooklyn besitzen und nur noch gelegentlich nach Valencia jetten.

Das neue Album, wieder angemessen „Country Mouse City House“ betitelt, entstand allerdings noch in Spanien bei Paco Loca- diesmal ohne Brad Jones.

Der Klang dieser in wenigen Tagen aufgenommenen Platte ist recht rudimentär, ohne viele Overdubs und an den Kanten etwas loser als zuletzt. Rouse macht watteweich verträumten Songwriter-Pop, der in den Siebzigern verortet ist und nicht viel will – schon gar nicht mehr sein, als er ist. Neu dabei: dezente Soul-Bläser im Stil AI Greens und gelegentlich eingestreute Jazz-Ausflüge. „Ich wollte bloß ein paar Songs aufnehmen. Dass dabei ein Album herauskommt, war nicht geplant. Es fühlte sich aber alles so leicht an, so natürlich. Da dachte ich, dass ich womöglich an etwas Gutem dran bin.“

Genauso funktioniert Josh Rouse: Allzu viel Reflexion ist nicht gern gesehen, große Pläne verpönt. In Interviews hat der etwas schläfrige Rouse immer eine Art Stirnrunzeln in der Stimme, so wie jemand, der seinen Schlüssel verlegt hat und sich jetzt angestrengt zu erinnern versucht. „Irgendeine Agenda hat man ja doch immer irgendwie im Kopf, aber ich versuche, sie nicht zu wichtig werden zu lassen“, sagt Rouse, „das würde der Musik nicht gut tun.“

Gut getan habe seiner Musik allerdings die seit einiger Zeit veränderte Vertragslage. Nach dem Ende des alten Deals gründete er sein eigenes Label, Bedroom Classics, und überlässt seither Vermarktung und Vertrieb dem in puncto Künstlerführung recht unorthodoxen Firmenkonsortium Nettwerk. Die Folge: Rouse kann mehr oder minder veröffentlichen, was und wann er will.

In den ersten zwei Jahren hat die neue Freiheit bereits zwei Alben und zwei EPs (eine im Duett mit der Freundin) hervorgebracht, und im aktuellen Waschzettel ist die Rede von zwei weiteren fertigen Alben, von denen zumindest eines – auf dem eher introspektive Kammermusik ist, die Rouse allein mit besagtem Kumpel Paco Loca aufgenommen hat – recht bald erscheinen soll.

Droht da nicht die Inflation? Oder, schlimmer noch, die Nachlässigkeit? „Mag sein, dass ich in ein paar Jahren zurücksehe und die ein oder andere halbgare Veröffentlichung entdecke“, räumt Rouse ein, ist aber nicht überzeugt. „Bislang sehe ich handwerklich gute Popsongs in der Tradition des Brill-Building-Pop-Songs, die über die Jahre weniger nach dem Baukasten-Prinzip funktionieren, sondern fließender werden, morefilled in. Aber ja, das alles ist eine Art öffentliche Entwicklung. Ich denke von Platte zu Platte -jede ist für mich ein Projekt, mit dem ich Musikmachen auch für mich selbst immer wieder interessant mache. Ich gebe bloß eine Idee weiter, einen Ansatz… Der Rest entsteht, während die Musik draußen ein Eigenleben entwickelt.“

Für „Country Mouse City House“ hat sich Rouse wieder Kurzgeschichten ausgedacht, die dann die Grundlage für die Lyrik sind. Zum Beispiel „Hollywood Bass Player“: Bei seinem letzten Besuch in Los Angeles sah Rouse im Vorbeifahren einen Musiker auf der Straße stehen, und etwas an dem flüchtigen Blick habe ihn die ersten paar Zeilen über einen Mann schreiben lassen, der nach Kalifornien kommt, um es auf Teufel komm raus zu packen.

Oder „God, Please Let Me Go Back“, bei dem ein zu früh Gestorbener an der Himmelstür um Erlaubnis bittet, ausnahmsweise zurückkehren zu dürfen. „Ich bin Einzelkind, da muss man lernen, sich selbst zu beschäftigen“, lächelt Rouse und meint damit auch: Autobiografisches kommt hier nicht in die Tüte, Bekenntnislyrik schon gar nicht.

V/obei es auf „Country Mouse City House“ mindestens eine Ausnahme gibt: „Pilgrim“ verarbeitet die extremen Erfahrungen eines knapp ioo km langen Fußmarsches entlang des Pilgerpfades El Camino de Santiago, den Rouse samt der Freundin neulich absolvierte. „Dein Körper tut weh, deine Endorphine sprudeln, und irgendwie wird es dann tatsächlich zu einem spirituellen Erlebnis“, sagt Rouse.

Nicht ganz so spirituell war dagegen eine Tournee im Vorprogramm von John Mayer, die Rouse samt Band erstmals in große Arenen führte. „Nach zwei Abenden sind wir zu einer Rockband mutiert“, erinnert er sich, „alles Subtile geht vor so vielen Leuten verloren. Wir haben ein bisschen gebraucht, um uns daran zu gewöhnen.“ Und dann, nach einer kurzen Pause, packt Rouse sich mit einem Satz in eine Nussschale. „Man muss die Dinge hinnehmen, wie sie sind, dann macht es Spaß.“ Kein schlechtes Motto.

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