Stecken und Spielen

WAS ANFANGS als Geheimtipp gehandelt wurde, hat sich längst in einer eigenen und höchst lebendigen Nische etabliert. Weit über fünfzig Hersteller versorgen den aktuellen Markt mit Synthesizer-Modulen und allerlei Zubehör. Das sind deutlich mehr als in den 70er-Jahren, der Hochzeit des Synthesizers. Klein-und Kleinstbetriebe aus ganz Europa und den USA bestimmen die Szene. Häufig sind die Entwickler selbst aktive Musiker, die unabhängig von marketingrelevanten Überlegungen ihr persönliches Tool konstruieren.

Ideen-Pool sowie Kommunikations-und Vertriebspartner für viele Kreativunternehmer ist Andreas Schneider. In 15 Jahren hat sich sein Berliner Vertriebsbüro und Fachgeschäft namens Schneiders Laden zum Mekka unter den Modular-Aficionados entwickelt. Über 500 verschiedene Synthesizer-Module sind hier jederzeit antestbereit. Dazu kommt eine Zweigstelle im Londoner Rough-Trade-Shop und regelmäßige Workshops auf Festivals und Fachmessen. „Früher war ich im Musikmanagement“, sagt Andreas Schneider. „Auch im Umfeld der Instrumenten-Hersteller sehe ich mich wie als Vermittler. Das sind echte Künstler im Umgang mit Schaltplänen und Lötkolben, aber vielfach nicht in der Lage, ihre Produkte professionell zu vermarkten. Und genau das ist mein Job. Ich bin Vertriebsknotenpunkt für Kleinsthersteller in aller Welt, Ansprechpartner für Fachhandel und Endkunden. Im Idealfall begeistere ich alle Beteiligte für ein Produkt, welches aufgrund seiner Einzigartigkeit im normalen Vertriebsweg komplett untergehen würde.“

Einer dieser Hersteller ist der Münchner Dieter Doepfer, wie viele seiner Kollegen Musiker und Ingenieur, bereits seit Anfang der 90er-Jahre dabei. Heute ist seine vierköpfige Firma Marktführer und fertigt Systeme in Größen zwischen Beautycase und Schrankwand. Auch der in Schweden ansässige Wowa Cwejman entwickelt Module von kompromissloser Qualität, handgefertigt und in Kleinstauflagen. Für ein komplettes System aus seiner Werkstatt zahlen Fans den Gegenwert eines Kleinwagens. Neben Newbies hat das Modular-Comeback auch Urgesteine der Branche auf den Plan gerufen, etwa Synthesizer-Legende Don Buchla, der ebenso wenig retro ist wie seine Kollegen – Modular-Systeme sind heute top-moderne Präzisionsinstrumente.

Schneiders Kundenkreis rekrutiert sich weit über Berlins Grenzen hinaus und liest sich wie ein Who ’s who der aktuellen Elektronik-Szene. Interessant ist die Tatsache, dass neben Veteranen wie etwa Mute-Chef Daniel Miller und Kraftwerks Florian Schneider, auch DJs und Produzenten seine Module für sich entdecken. Richie Hawtin und Ricardo Villalobos ergänzen ihr Rechner-Setup mit einem Modular-System, ebenso Techno-Rocker T. Raumschmiere oder die Electronica-Allstars Moderat. Wo liegt die Faszination? „Ein modularer Synthesizer bietet die Möglichkeit, sein eigenes und ganz individuelles Instrument zusammenzustellen“, erklärt Andreas Schneider. „Entsprechend individuell sind die klanglichen und musikalischen Ergebnisse, die ein solches Instrument liefern kann.“ Zweifellos ein wichtiger Aspekt in einer Welt der immer gesichtsloseren Computer-Tools. „Zudem wird der Klangerzeugungsprozess verständlich und erlebbar,“ ergänzt er. „Es handelt sich buchstäblich um einen Baukasten, mit dem sich nach Lust und Laune experimentieren lässt.“ Daniel Miller pflichtet bei: „Der Spaßfaktor ist riesig. Das wiederum beflügelt die Kreativität.“

Der Reiz am Spiel mit Strom und Klängen erreicht Profis, Freizeitmusiker und Klangfetischisten aller Couleur: „Es gibt Kunden, die stellen sich einen Modular-Synthesizer als Kunstobjekt ins Wohnzimmer und erfreuen sich an Sounds und Design.“

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