The Beach

Liebe Mädchen, keine Sorge: Leo ist nicht moppelig geworden, wie mal üblerweise verbreitet wurde. Paparazzi hatten ihn unvorteilhaft geknipst, zudem wurde er vom Fitness-Trainer in Form gebracht Muskulöser, ja marmoriert steht er nun da an den Gestaden von Thailand, ein adoleszentes Kunstwerk als Pin-up für die Jugendzimmer neben dem Poster von Oli P. Deshalb konnte er 20 Millionen Dollar Gage verlangen für seine erste Hauptrolle nach „Titanic“, soviel wie sonst Willis und Gibson, Travolta und Ford, Stallone und Schwarzenegger. Die sind jedoch alt und anspruchsvoll geworden oder ausgebrannt und abgehakt und stehen bereits im Schatten der Strahlkraft dieses strammen, smarten, suuupersüßen Jünglings, des Prinzen von Hollywood. Ein James Dean aus den Neunzigern für dieses Jahrtausend, der sich nach der Oscar-Nominierung für seine Nebenrolle in „Gilbert Grape“ mit Robert De Niros „This Boy’s Life“ und „The Basketball Diaries“ eine erstaunliche Trilogie aus dem Leben eines Teenagers erspielte. Dann kamen Pop und Hype, sank er in „Romeo & Julia“ und „Titanic“ darnieder und unsterblich in die Herzen. Demi Moore und andere angebliche Affären sowie das pubertäre Treiben mit seiner sogenannten „Pussy Posse“ – auch das war nicht falsch. In Wwdy Aliens „Celebrity“ persiflierte er sodann vorzüglich sein Image. Ihm kann keiner. Für seine Strandspiele aber werden ihn Filmkritiker endlich hinrichten können.

DiCaprio spielt Richard, 25, Single, Fan von Videospielen und Vietnamfilmen und auf der Suche nach dem Sinn im Leben. Spontan ist er nach Thailand geflogen, dem Disneyland von Rucksacktouristen, moderne Nomaden für 14 Tage und eine Nacht Zwischen den Neon-Bars und dem Napalm-Angriff aus „Apocalypse Now“ auf der Leinwand eines Freiluftkinos, „Simpsons“-Folgen und Sex-Offerten quartiert er sich in einer Bangkoker Absteige ein. Nachts randaliert sein Zimmernachbar Daffy (Robert Carlyle), ein tollwütiger Leinwand NEU IM KINO

Schotte, der dem Amerikaner einen Joint anbietet und von einer Insel raunt mit einem magischen Strand „hidden from the sea“, wo sich eine Aussteigerkolonie angesiedelt habe. Am nächsten Morgen ist Daffy tot. Blut aus seinen Pulsadern klebt überall im Raum, an der Tür hängt eine Landkarte. Mit Etienne und dessen Freundin Francoise (Virginie Ledoyen) bricht Richard auf, und nach kurzem Misstrauen wird das Trio von der Gemeinschaft aufgenommen.

So schön und schlank wie für den Robinson Club erdacht oder aus der Bacardi-Reklame sind diese Hippies. All inclusive: Lagerfeuer mit Gitarre und Gesang, Fußball und Tauchen vor der Kulisse des wie Alabaster glänzenden Sandes und türkisfarbenen Wassers der Lagune. Doch über den perfide-erlesenen Bildern von Kameramann Darius Khondji („Sieben“) liegt ein falscher Glanz und unter dem Traumstrand das Pflaster aus Neid und Macht Um ihren tropischen Kleingarten Eden zu schützen, gilt in der multikulturellen Clique ein Gruppenzwang mit eingebildeter Individualität So wird ein Mann, dem Haie das Bein zerfetzt haben, nicht ins Hospital gebracht – und schließlich abseits in ein Zelt verstoßen. Sein Elend stört die schizophrene Harmonie.

Alex Garlands gleichnamiger Bestseller erzählt als postmoderne Variante von,,Der Herr der Fliegen“ die alte Erkenntnis, dass die Menschen jedes Paradies zur Hölle machen. Dennoch ist er vor allem bei Zivilisationsmüden zum Kult geworden, als wollten sie an ihren Illusionen leiden. Im Roman wird der Strand ein Sodom und Gomorrha, nun müssen alle vorher auf Druck von Drogendealern das Eiland verlassen. Auch die Änderung, dass Francoise für Richard keine unerfüllte Obsession bleibt, ist eine Konzession an Hollywood. Seit „Titanic“ und bei Leos sittenwidrigem Preis wird ihm natürlich abverlangt, jedes Mädchenherz zu knacken.

Trotzdem entgeht Regisseur Danny Boyle („Trainspotting“) eben noch der „Blauen Lagune“. Richard daddelt gerne mit einem Gameboy – und ist selber eine Spielngur in einem Plot, der angelegt ist wie ein adventure gante: Es gilt die richtigen Leute zu treffen, trotz Haie zur Insel zu schwimmen, die bewaffneten Bewacher eines Cannabis-Feldes zu überlisten und von einem 120 Meter hohen Wasserfall zu springen. Und Boyle visualisiert die immanente Dramaturgie schließlich mit absurd-sarkastischen Kapriolen in einer virtuosen Virtualität Weil Richard zwei Amis eine Kopie der Karte überlassen hat, wird er zum Wachdienst verdammt Dabei steigert er sich in größenwahnsinnige Mutproben mit den Wächtern und in Halluzinationen, bei denen er sich wie Rambo durch einen Pixel-Urwald kämpft und im Fiebertraum mit Daffy am Maschinengewehr auf Touristen ballert, wobei ein Zähler die Treffer anzeigt.

Als Action-Junkie im Delirium ist Leo tatsächlich gut – und Boyles beachspotting über und für die Multimedia-Generation so eine Tretmine aus dem TUI-Katalog.

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