The Fall: „Your Future Our Clutter“ komplett im Stream
Mark E. Smith arbeitet an der Vollendung des Rock'n'Roll. Findet unser Autor Jürgen Ziemer. Hier gibt es die Kritik zum neuen Werk von The Fall und das vollständige Album im Stream.
Dass alles und alle immer weitermachen, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Bei Mark E. Smith wird aus diesem „es nicht besser wissen“, „sich treu bleiben“ oder „auf der Stelle treten“ eine beeindruckende Meditation über die Möglichkeiten eines Künstlers und Menschen. Wie der Zen-Meister in seinem Kloster, rechen The Fall auch den Garten dieses Albums wieder mit großer Präzision und Hingabe: Was Novizen primitiv vorkommen mag – diese geprügelten Riffs, die ausgekotzte Orgel, das proletenhafte Stampfen, der Mittelwellen-Radio-Sound und die zwischen einem katastrophalen Gebiss hervor genuschelten Wortkaskaden -, all das ist natürlich die Vollendung des Rock’n’Roll.
Wo andere Bands sich abarbeiten an früheren Entwicklungsstadien des Genres, an der Rebellion, am Stil, am Tempo, da beweist Mark E. Smith, dass es nur ums Ganze gehen darf. Wie sich hier Garagen-Trash a la The Sonics oder The Seeds mit der intellektuellen Stoizität von Wire und einem Lo-Fi-Techno-Sound verschmilzt, das hat schon große Klasse. Der Titelsong kommt im Doppelpack mit „Slippy Floor“ und läuft epische acht Minuten. Allein das von Schlagzeug, Bass und Gesang getriebene Intro dauert zwei Minuten, danach explodiert die Band, tobt und rockt, wie man es sehr gern mal live sehen würde. Bis irgendwann der Saft abgedreht wird und nur noch komische Geräusche und Anrufbeantworterstimmen erklingen. „Chino“ erhebt sich dann schwerelos aus dem Grummeln und segelt mit SurfGitarren davon. „Funnel Of Love“ ist natürlich die Verneigung vor einem der schönsten Rock’n’Roll-Songs aller Zeiten: toll, aber Wanda Jackson ist einfach nicht zu übertreffen.
„Weather Report 2“ bildet das Finale und klingt dabei wie eine Mischung aus Pere Ubu und Lo-Fi-Techno. „You don’t deserve Rock’n’Roll“, murmelt Smith am Ende. Wie er das wohl meint? Darüber, liebe Herrschaften sollten Sie nachdenken. Und dann vielleicht ihre überschätzten Gorillaz-Alben wegwerfen, um die Werke von Mark E. Smith zu studieren. (Domino)
Jürgen Ziemer