The Murder Capital: Dürfen sie ihre Palästina-Flagge bei den Sommerfestivals aufhängen?
Mit den Konzertabsagen in Berlin und Köln steht der Live-Betrieb erneut vor Grundsatzfragen

Der überregional bekannte Indie-Club Gebäude 9 in Köln Mülheim sieht sich zu einem Statement genötigt: „A few words regarding our policy“ heißt die Social-Media-Headline zur Absage des Konzerts der irischen Band The Murder Capital.
„Keine Nationalflaggen, egal welches Staates, auf der Bühne“
Das Ereignis liegt nun schon einige Tage zurück und hatte es bis in US-Fachmagazine wie „Billboard“ oder „Hollywood Reporter“ geschafft. Stein des Anstoßes war eine palästinensische Flagge als Element der Bühnen-Deko der Post-Punker. Auch im Berliner Gretchen führte der Streit darüber zu verschlossenen Türen an der Obentrautstraße.
„In einer Welt, in der Nationalismus mehr und mehr wächst und Konflikte eskalieren, ist es seit jeher unser Ziel gewesen, einen Raum zu schaffen, wo Menschen unterschiedlicher Kultur, unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Hintergründe zusammenkommen und gemeinsam die Musik genießen können“ heißt es auf Englisch beim Gebäude 9. „Deswegen haben wir eine klare, einfach Regel: Keine Nationalflaggen, egal welches Staates, auf der Bühne“.
Demnach hätte auch Morrissey, der gerne mal mit dem Union Jack kuschelt, ein Problem mit dem Regelwerk. Diese grundsätzliche Maßnahme würde helfen, so das Gebäude-9-Team. „unnötige Spannungen zu vermeiden. Es werde dem Publikum, den Künstlern und Mitarbeitenden einfacher gemacht, sich sicher, willkommen und respektiert zu fühlen.“
Bayrische Gelassenheit oder schlicht andere Regeln?
The Murder Capital wiederum, die ROLLING-STONE-Kritiker Max Gösche neben Fountaines D.C. als beste irische Band der Gegenwart taxiert, sehen das erwartungsgemäß anders. „Dass wir unserer Show eine Flagge auf Bühne zeigen, ist kein politisches Statement. Es ist eine menschliche Reaktion auf eine entsetzliche und unvorstellbare Situation, die genau jetzt, heute passiert!“
Die Band spielte in beiden Absage-Städte kurze Freiluft-Akustik-Sets vor ihren Fans. Und schwenkte das schwarz-grün-weiße Tuch mit dem roten Dreieck. In München übrigens konnte der Auftritt im Hansa 39/Feierwerk unbeanstandet seinen Lauf nehmen. Bayrische Gelassenheit oder schlicht andere Regeln?
So verständlich es aus Sicht der Veranstalter im hektischen Tour-Alltag ist, sich eine Verfassung im Hinblick auf gesellschaftliche Minenfelder im Musikprogramm zu geben – so oberflächlich erscheint der Auschluss von Flaggen in der komplexen Materie zwischen BDS, Antisemitismus und der wohlfeilen „Modeerscheinung“ bei diversen Popbands, sich mit Gaza oder Palästina zu solidarisieren.
Bei The Murder Capital hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet
Will man keine Gesinnungsprüfung von Seiten der Booking-Agenturen und Clubs einführen, sollte man „grundsätzlich okayen“ Acts auch größtmögliche Freiräume einräumen. Ein künstlerischer Qualitätscheck wird ohnehin seit ehedem vorgenommen.
Bei The Murder Capital hat man das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Trotz Krisenverhandlungen wollte jede Seite ihre Prinzipien durchsetzen. Hier ist künftig das gute, alte Fingerspitzengefühl im Einzelfall angesagt. Zumal das Club-Publikum all die Codes und möglichen Irritationen sicherlich zu deuten weiß.
Bis zu den Doppel-Festival Hurricane und Southside (20 bis 22. Juni 2025) wird sicherlich eine „Flaggen-Lösung“ gefunden. Hier werden The Murder Capital mit „rauen Gitarren und tiefgründigen Lyrics“ auf der dortigen Wild Coast Stage erwartet.