The Stooges: Die Perlen aus der Tonne

Die Diskografie der Stooges ist klein - aber die Schnurren, die es über die drei Alben zu erzählen gibt, könnten Bücher füllen. Der Titelheld: John Cale im Dracula-Kostüm

Die Stooges waren ja immer eine mutige Band, die Stirn voran durch alle Barrieren bolzte, und diese Qualität demonstrierten sie am besagten, untypisch warmen New Yorker Frühlingsabend in Perfektion. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung bei Elektra Records – im Windschatten der ebenfalls aus Detroit stammenden Proto-Punk-Pioniere MC5 – und kurz vor Beginn der Aufnahmen zu ihrem ersten Album „The Stooges“ (für das sie den fürstlichen Vorschuss von 25 000 Dollar kassiert hatten), sollten die Stooges in Manhattan vor Vertretern ihres Labels spielen.

Leider umfasste ihr Repertoire damals genau vier Songs: „I Wanna Be Your Dog“, „1969“, „No Fun“ und „We Will Fall“. Am Ende des explosiven, aber kurzen Sets fragte Elektra-Boss Jac Holzman, ob sie noch andere Songs auf Lager hätten. Aus Angst, ihren Deal zu gefährden, antworteten sie: „Na klar.“ Und 24 Stunden später entsprach das der Wahrheit. Ron Asheton und Iggy Pop hatten die Nacht im berüchtigten Chelsea Hotel genutzt (im selben Zimmer, in dem fast zehn Jahre später Sid Vicious mutmaßlich seine Freundin Nancy Spungen erstach), um drei weitere Songs rauszuhauen, die nur einmal geprobt wurden, bevor sie am nächsten Tag ins Studio gingen.

Dass ihnen die vier Tage dort vorkamen wie ein Jahr, lag zum Teil am reichlichen Drogenkonsum („Die Tempi gerieten ein bisschen langsam, weil wir dauernd bekifft waren“, so Iggy), könnte aber auch mit ihrem Produzenten John Cale zu tun gehabt haben, der ein strenges Regiment führte und für Kinderkram wenig übrig hatte. Ron Asheton erinnert sich, dass Cale sie für ihre Lautstärke rügte und die Band zwang, die Marshall-Verstärker auf 9 herunterzudrehen. Iggys Probleme mit Cale scheinen mit dessen „bizarrer Künstler-Attitüde“ beim Abmischen der Platte zu tun zu haben – was nichts daran ändert, dass das Album heute als Flaggschiff der ersten amerikanischen Punk-Welle gilt.

Ob Cale der Richtige für den Job gewesen sei? „Nein“, sagt Iggy Pop, „aber auf andere Art dann wieder doch, und es war gut so. Die Platte hätte nie diese Aura gehabt, wenn wir einen Streber aus Royal Oak mit Eierkartons und ‚Playboy‘-Heft hinterm Mischpult sitzen gehabt hätten. Aber wir hatten fucking John Cale, der als Dracula verkleidet zur Arbeit kam und uns zu Parties ausführte, wo wir Lou Arschloch Reed kennenlernten. In solchen Situationen wird die Musik, die man spielt, plötzlich zur unbewussten Gegenreaktion gegen das Umfeld. So hat Cale uns angespornt.“

Ihr bestes Album ist wohl „Fun House“, jedenfalls nach Meinung von Fans wie Kurt Cobain, Johnny Ramone oder Jack White. Ästhetisch und methodisch war es eine völlige Abkehr vom Erstlingswerk. Produzent Don Gallucci beschloss, live im Studio zu arbeiten und die Tracks in der Reihenfolge aufzunehmen, in der sie in der wüsten Bühnenshow der Stooges drankamen. Ironischerweise waren jedoch alle diese Stücke extra für das Album geschrieben („Variationen über dasselbe Thema“) und nur deswegen live gespielt worden, um sie fürs Studio in Form zu bringen. Die Typen aus der Mülltonne hatten durchaus eine Vision. Galluccio warf alles aus dem vornehmen Elektra-Studio raus, was ihrem Primitivsound im Weg gestanden hätte – die teuren Orientteppiche, die Dämmwände – und ließ die Band in einem einzigen Raum auf nacktem Betonboden spielen.

Iggy bekam ein Handmikro, das er abwechselnd wie eine Waffe oder ein Sexspielzeug schwang, während er durchs Studio tigerte (wobei seine katzenhaften Bewegungen möglicherweise mit dem Acid zu tun hatten, das er vor jeder Session schluckte) und so lange grunzte, kreischte, brüllte und kläffte, bis seine Vokal-Experimente das gewünschte Ergebnis zeitigten – den ersten authentischen Rock-Urschrei, der wohl auch der Frustration geschuldet war, jeden Song wieder und wieder spielen zu müssen. Mehr als einen pro Tag schafften sie nicht.

„Raw Power“ war das Comeback-Album der Stooges, nachdem sie 1971 von Elektra gefeuert worden waren. Statt dort weiterzumachen, wo sie mit „Fun House“ bereits angekommen waren, heuerte die Band einen Detroiter Gitarren-Berserker namens James Williamson an, der sich bei Iggy einschleimte und dafür sorgte, dass Ron Asheton zum Bassisten degradiert wurde, was die Spannungen in der Band noch verstärkte.

Williamsons brutale Riffs und Breaks hatten mit Ashetons bedächtiger Emotionalität wenig gemeinsam. Doch das war nicht das Problem. Das Management war mit dem Mix nicht einverstanden, für den Iggy selbst verantwortlich zeichnete. Er hatte alle Instrumente auf den einen und den Gesang auf den anderen Kanal gemischt, was einen amateurhaft unausgewogenen Sound ergab. Schließlich schlug das Management vor, einen anderen Klienten, David Bowie, hinzuzuziehen, um das Album zu retten. Iggy erklärte sich unter der Bedingung einverstanden, dass sein Mix von „Search And Destroy“ erhalten bleiben müsse. Die anderen sieben Songs wurden von Bowie angeblich an einem einzigen Tag in Los Angeles neu abgemischt. Doch Iggy erhielt eine späte Wiedergutmachung: 1997 bat ihn Columbia Records, die das Album wiederveröffentlichen wollten, um ein komplettes Remix.

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