The Watersons – Frost And Fire

1965 Topic

Kein verkanntes Meisterwerk, schon gar kein unbesungenes, indes eines, das seine Bedeutung nur in Kreisen der Folk-Cognoscenti entfaltete und nie hineinpasste ins Wahrnehmungsraster der Popwelt. Was daran liegt, dass die auf instrumentale Begleitung verzichtende, ausschließlich dem mündlich tradierten Material verpflichtete Aneignungsweise der Watersons aus Hull ein wenig mehr erfordert als bloßes Zuhören. Dasselbe lässt sich zwar auch von anderen Großtaten des britischen Folk-Revivals behaupten, doch kommt die Musik etwa von Shirley Collins selten ganz ohne Ornamentik aus, während Martin Carthys frühe LPs auch den amerikanischen Folk belehnen und so eine Brücke schlagen zum modernen Songwritertum.

Auch der Clan der Watersons war zu Beginn der Sechziger über diese Brücke geskiffelt. Damals nannte man sich noch The Mariners, dann The Folksons. Mit dem Wechsel zum Familiennamen ging eine Besinnung auf altenglisches Liedgut einher, genauer: auf Songs, die in der Region East-Yorkshire eine Rolle gespielt hatten, vor Jahrhunderten. „Frost And Fire“ entführt in eine solche Vorvergangenheit, mit „hand-crafted harmonies“, wie der legendäre Folkforscher A.L. Lloyd schrieb, „uniquely distinctive, uninhibited, spontaneous and rich in texture“. In ihrem „Calendar Of Ritual And Magical Songs“, so der Untertitel, besingen die Watersons entlang der Jahreszeiten vergessene Bräuche und Zeremonien, pur und polyfon, delikat und rustikal, ausgelassen antifeudal oder zart, jedoch nie zimperlich.

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