Tom Petty: Die letzte Vorstellung

In seiner ersten (und wohl einzigen) Rock-Dokumentation „"Runnin' Down A Dream" erzählt Regisseur Peter Bogdanovich die Geschichte von Tom Petty & The Heartbreakers.

Als Tom Petty 1979 mit ,Damn The Torpedoes“ und Hit-Singles wie „Refugee“ zum US-Star aufstieg, war Peter Bogdanovich gerade schwer mit dem Niedergang (s)eines Sternchens beschäftigt. Dorothy Stratton hatte dem doppelt so alten Regisseur von „Die Letzte Vorstellung“ und „Paper Moon“ auf dem Set von „They All Laughed“ den Kopf verdreht, nur um ihren hübschen bald zu verlieren. Als das „Playmate Of The Year“ ihrem Mann Paul Snider eröffnete, sie wolle lieber mit Bogdanovich leben, beförderte er erst Stratton und dann sich selbst aus diesem Leben. Die tragische Ouvertüre zu den für ihn insgesamt eher schlechten Achtzigern, wie der jetzt 68-jährige Sohn eines serbischen Malers und Pianisten rekapituliert. Ganz in schwarz bis in die gefärbten Haarspitzen. Wann und wo er Petty zum ersten Mal gehört hat? „Keine Ahnung. Ich wusste kaum was über Tom und habe seine Musik erst richtig gehört, als ich den Job bekam.“

Zu seiner ersten Rock-Dokumentation kam der Sinatra-Fan also fast wie die Jungfrau zum Kind. Geburtshelfer spielte George Drakoulias. Der mit Bogdanovich bekannte Produzent warf seinen Namen in die Runde, als Petty Regie-Kandidaten für „Runnin‘ Down A Dream“ diskutierte. Bogdanovich war frei und „einfach daran interessiert, so was mal zu machen“. Man traf und mochte sich — und inzwischen zitiert Bogdanovich selbst aus sonst unterbelichteten Highlights des Petty-CEuvres. „Ich liebe „The Best Of Everything‘, wenn Tom singt „Maybe she’s singing in a bar somewhere, cause sometimes she used to sing.“ Petty, schwärmt er, könne „mit wenigen Worten soviel sagen“. Bogdanovich trieb beider Arbeit an „Runnin‘ Down A Dream“ lange um, dass er nicht den richtigen Einstieg ins Vier-Stunden-Werk finden konnte.

Dabei war konzeptionell („viele Bilder, viel Bewegung, keine endlosen Talking Heads“) schnell alles klar und thematisch auch: Klein-Petty als Western-Fan, der mit zehn Elvis auf dem Filmset von „Follow That Dream“ in Gainesville trifft, die Beatles im Fernsehen sieht und eine Band haben muss. „Das musste schnell kommen — und sein Kindheitstrauma erst später.“ Schließlich konnte auch Petty selbst erst in den letzten Interviews von seinem prügelnden Vater erzählen.

Petty war auch zugegen, als sich doch noch der richtige Rhythmus für die ersten 15 Minuten fand. Bogdanovich: „Wir saßen zusammen und ich sagte: ,Diese Geschichte mit der Mutter, muss die sein?‘ ,Glaub nicht‘, sagte Tom, und schlug gleich noch was anderes für den Cutter vor. Woraufhin der sagte, der kleine Dylan-Teil sei ja auch nicht so wichtig, weil wir später ohnehin noch zu Bob kommen würden. Dann meinte einer: ,Die Byrds kommen ja später auch noch mal‘ Und meine Assistentin hatte auch noch was. Bis ich zum Cutter sagte: ,Nimm diesen ganzen Kram raus.’Als wir dann den neuen Einstieg sahen, meinte Tom: Jesus Christ, waren das 30 Minuten weniger!?‘ Es waren viereinhalb, aber jetzt war es perfekt und machte auch alles danach noch besser. Es war einer der überraschendsten Momente, die ich je im Schneideraum erlebt habe. Aber Tom sagte irgendwann nur: „Ist dir aufgefallen, dass jetzt alle Songs denselben Rhythmus haben?“

So funktioniert „Runnin Down A Dream“ denn in seinen besten Momenten wie ein guter Tom-Petty-Song — komplexe Widersprüche hinter schlichter Fassade. Petty als etwas anderer Südstaatler, der nie den dicken „Southern Accent“ entwickelt, den er 1985 so sehnsüchtig besang — als unbeugsamer Redneck mit Matte, der sich gleich bei seinem ersten Europa-Ausflug 1976 mit „Anything That’s Rock’n’Roll“ als Aushängeschild der Revolte in „Top Of The Pops“ wiederfand. „Er ist so punky bei diesem Auftritt“, amüsiert sich Bogdanovich. „Denn ich denke nicht, dass Tom wirklich jemals so war. Erhatdageschauspielert. Aber gerade das gefiel mir. Tom ist ein sehr guter Schauspieler mit seinen Songs. Er verströmt eine gewisse Unschuld, fast wie ein Kind.“

Doch selbst so ein Mann hat nach 30 Jahren (eigentlich 40, die Mucker-Zeit in Gainesville mitgerechnet), sagen wir: eineinhalb Leichen im Keller. Der nur kurz gestreiften Drogen-Odyssee von Heartbreakers-Bassist Howie Epstein mochte Bogdanovich nicht weiter hinterherrecherchieren , denn „es sollte ja auch kein downer werden“. Ur-Drummer Stan Lynch, der 1993 für „Mary Jane’s Last Dance“ seine letzte Runde mit Petty drehte, lehnte ein Interview für „Runnin‘ Down A Dream“ ab. „Wir haben’s drei, vier Mal versucht. Aber dann wollte er partout nicht und meinte, es sei zu schmerzhaft für ihn.“

Unterdessen bastelt Peter Bogdanovich mit „Killer Joe“ (texanische Trailer-Trash-Sippe scheitert am großen Coup). „Broken Code“ (um eine ausgebootete DNA-Forscherin) und „Squirrels To The Nuts“ („Screwball-Sex-Comedy“ um ein Callgirl) gleich an drei neuen Filmen. „Runnin‘ Down A Dream“ dürfte sein erster und letzter Rock’n’Roll-Ausflug bleiben. Wenngleich… „Tom spielt eine Note von ,Mary Jane’s Last Dance‘ – und die Leute wissen sofort, welcher Song das ist. Auf der Bühne hebt er einfach die Hand – und ich drehe mich um und sehe 18 000 Leute, die dasselbe tun. Da dachte ich dann schon mal: Hey, ich bin im falschen Geschäft!“

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