Tom Petty: Hinter dem Verfall

Tom Petty hat eine Tür zum Anklopfen gefunden.

Muß nett ausgeschaut haben: Rick Rubin sitzt bei Tom Petty auf dem Sofa und spielt ihm alte Simon & Garfunkel-Platten vor. „Ich weiß gar nicht, ob ich ihn je wirklich angeheuert habe, er war einfach immer da!“ Petty lacht und bleckt dabei eine Schneidezahnkulisse, die gut mal eine kleine Rundumbehandlung vertragen könnte. Ein Drei-Tage-Bart wuchert über eingefallenen Wangen, die Haare über der Stirn lichten sich langsam: Der Enkel einer Cherokee-Frau aus Gainesville/Florida -Jeans, Blazer, ockerfarbene Bommel-Slipper – sieht älter aus als die 41 (oder doch schon 42?) Jahre, die er gerade passiert hat Doch da ist noch Leben hinter der Kulisse gemächlichen Verfalls. „Rick kam jeden Tag mit einer dicken Tasche CDs an und fragte: ,Hey, Tom, kennst Du das hier?‘ Und irgendwann fing ich dann an, ihm Platten vorzuspielen. Wir haben endlos viele Platten zusammen gehört – das hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht“.

Am Ende der Listening-Session, nach rund 18 Monaten, konnten alle zufrieden sein: Petty hatte ein feines, neues Album („Wildflowers“) im Kasten; Rubin hatte sich den „großen Respekt“ eines neuen Freundes verdient, und die Kritiker hatten ein paar Referenzen mehr fürs Petty-Werk. So wie Tom Petty Mitte der 80er Jahre nach seinem bis heute schwächsten Album („Long After Dark“) mit „Southern Accents“ und dem Mut der Verzweiflung neue Themen für sich fand und dabei die musikalischen Barrieren durchbrach, die ihm die Heartbreakers aufzuerlegen schienen; so wie er sich 1989 instinktiv auf Jeff Lynne stürzte, um endlich das ersehnte Pop-Solo-Album („Full Moon Fever“) realisieren zu können so hat er jetzt nach dem bewährten Fünf-Jahres-Plan „ein paar neue Türen gefunden, an die ich klopfen kann.“

Und dahinter verbergen sich Einsichten, die einem Mann seines Alters gut anstehen. Neil Young auf „Harvest Moon “ nicht unähnlich, ist hier einer zu betrachten, der die Dinge festhalten möchte, statt neuen Horizonten hinterher zu heischen. Einer auch, der ziemlich schonungslos Gericht über sich hält, ohne in selbstgefälliger Grübelei zu erstarren-eine Prise trockensten Petty-Humors zieht noch immer rechtzeitig die Notbremse, während schlichte Cock-Rocker wie „Honey Bee“ oder „Cabin Down Below“ in diesem Kontext fast nur noch ironisch interpretiert werden können. „Sind doch nur ein paar Rock’n’Roll-Songs“, würde Petty sagen. „Ich hatte Glück mit diesem Thema, denn gewöhnlich arbeite ich vom Titel aus und schreibe dann. Doch diesmal hatte ich in einer Mischung aus Experiment und Bequemlichkeit überhaupt keine Ahnung, was ich tun würde. Ich zensierte mich auch nicht und arbeitete wieder allein, was ich schon seit Jahren nicht gemacht hatte. Und ich versuchte, Musik und Text zusammen entstehen zu lassen, was mir meistens gelang. Und was mir auch am meisten Spaß macht Irgendwann fiel mir auf, daß dieses Thema immer wieder kam, dieser Charakter, der die Dinge zusammenhalten will, der Hoffnung und Trostlosigkeit unter einem Hut versöhnen möchte. Und es hat eine Zeit gegeben, wo ich mir darüber Gedanken gemacht hätte, mit dem Resultat, daß einige Songs in dieser Richtung herausgeflogen wären, weil einer ja reichen würde. Aber diesmal ließ ich sie alle stehen.“

Und so sind auch „wahnsinnig viele“ Songs über Freundschaften auf „Wildflowers“ gelandet Ein altersbedingtes Thema? „Ich denke, daß ich einfach an einem Punkt in meinem Leben angekommen bin, an dem ich nach den Dingen Ausschau halte, die wirklich lohnend sind“, lacht Petty. „Wie eben Freundschaften, die ich heute sehr zu schätzen weiß und nicht mehr einfach für selbstverständlich erachte wie mit 25.“

Dafür zermarterte sich Petty damals den Kopfüber (zu hohe) Plattenpreise, was enervierende Anwalts-Sitzungen und erfolglose Gerichtsverfahren nach sich zog. Illusionen macht sich Tom Petty freilich nicht. Nach den zermürbenden Erfahrungen der Vergangenheit hält er sich heute aus dem Musik-Business so weit wie möglich heraus. „Vielleicht“, orakelt er, „kommt der Punkt, wo die Musik nur noch im Besitz der Elite ist, während die Gewinnspanne weniger Konzerne immer größer wird. Meine Theorie ist heute: Stell‘ Deine Rechnung so hoch aus, wie’s nur geht, und geh‘ sicher, daß Du gut für Deine Arbeit bezahlt wirst. Aber mit diesem Software-Kram von heute kann ich einfach nicht mehr mithalten, und ich hab‘ auch nicht die geringste Lust dazu. Ich mag Musik!“

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