… und Jogi Löw bloß ein guter Trainer

Als dieses Jahr begann, durfte sich Joachim Löw so fühlen, als könne er über Wasser gehen. In seinen sechs Jahren als Bundestrainer hatte die Nationalmannschaft stets schön gekickt und der Mann selbst kam so nett daher, dass ihm bei der Wahl zum beliebtesten Deutschen nur noch Günther Jauch vorgezogen wurde. Vermutlich hätte Löw sich nie vorstellen können, was dann kam. Ein verlorenes Halbfinale bei der Europameisterschaft und ein bizarres 4:4-Unentschieden gegen Schweden später, musste er zum Quasi-Rapport im „Aktuellen Sportstudio“ erscheinen und sich von allen Seiten die Frage gefallen lassen, ob seine Ideen und auch er persönlich überhaupt noch richtig sind. So schnell war im deutschen Fußball noch nie jemand durch den Aufzugsschacht nach unten gesaust. Ein bisschen indigniert wirkte Löw angesichts dieser Debatten schon und etwas zerzaust, dagegen kam auch keine Pflegeserie an. Aber zum Nationalteam hat inzwischen jeder eine Meinung und ihre Probleme sind längst selbstverständlicher Stoff für „ARD-Brennpunkte“. Kurzum: die Sache hat maximales Hysteriepotenzial. Nachdem aber alle Großdenker und Kleinkläffer sich zum Thema gemeldet hatten, blieb unterm Strich, dass Löw in den vergangenen Jahren wahnsinnig viel richtig gemacht hatte, ohne der Neuerfinder des deutschen Fußballs zu sein. In diesem Jahr hat er ein paar Fehlentscheidungen getroffen, wie das halt auch mal passiert, wenn man nicht über Wasser laufen kann. Joachim Löw ist jetzt erst einmal wieder einfach Fußball.

Christoph Biermann ist Vizechef des Fußballmagazins „11 Freunde“

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