Unvergleichlich

Songschreiber Ben Folds und Schriftsteller Nick Hornby haben sich für ein Album zusammengetan. Die Geschichte einer Freundschaft.

Gleich in den ersten fünf Minuten bekommt man eine lebhafte Vorstellung davon, wie das Zusammenspiel von Ben Folds und Nick Hornby aussehen könnte. Sobald sie in einem Raum sind, gibt ein Stichwort das nächste. Der britische Schriftsteller erzählt gerade, dass sein Flieger Verspätung hatte, da übertrumpft der amerikanische Songwriter ihn mit der plastischen Beschreibung von spuckenden Co-Passagieren auf seinem Langstreckenflug. Nun ist Hornby doch froh, störungsfrei angekommen zu sein.

Die beiden verstehen sich blendend, und das hört man ihrem ersten gemeinsamen Album, „Lovely Avenue“, auch an. Zwei Wochen lang hatten sie überlegt, ob sie sich Hornby/Folds, Folds-Hornby oder vielleicht doch Hornby & Folds nennen wollen. Nun heißt es: „Ben Folds adds music and melody to Nick Hornby’s lyrics“. Ging’s noch komplizierter? Folds zieht hinter seiner dicken Brille die Augenbrauen hoch. „Das Musikgeschäft ist so – darf ich das Wort, zurückgeblieben‘ benutzen? Endlos wird über solchen Kram diskutiert. Ich wollte nicht, dass es so klinisch und nur wie ein Projekt klingt. Dies ist nicht bloß eine Übung wie aus dem Schullehrbuch: Der schlaue Nick, der schreiben kann und sich mit Musik auskennt, arbeitet mit dem Studiosus Ben zusammen, der komponieren kann. In Wirklichkeit geht es uns beiden nur ums Herz, nicht um die sogenannte Kunst.“

Am Anfang war die Sache auch eher als Spaß gedacht, erst mit der Zeit haben beide sie ernster genommen. 18 Monate lang schrieben sie E-Mails hin und her, telefonierten und tauschten so ihre Idee aus. Nicht alles, was Hornby in seinen üblichen Schreib-Ausbrüchen verfasste, konnte Folds verwenden. Aber vieles: „Ich habe das so ähnlich gemacht wie Spock in, Raumschiff Enterprise‘: Ich habe meine Hand auf die Texte gelegt, wie er das bei Köpfen getan hat, und abgewartet, was sie mir sagen. Meistens ging das ganz schnell. Ich hatte ungefähr eine 50-Prozent-Erfolgsquote, was aber nicht am Ausgangsmaterial von Nick lag. Bei den Texten gab es überhaupt keine Flops. Falls er welche hatte, hat er sie mir zumindest nicht geschickt.“ Nick Hornby lacht leise in sich hinein.

An den eigentlichen Aufnahmen war der Autor nicht beteiligt – zu der Zeit war er mit der Veröffentlichung seines jüngsten Romans „Juliet, Naked“ beschäftigt -, er bekam aber regelmäßig MP3s zugeschickt und war begeistert, wie schön seine Zeilen dank Folds‘ Stimme und Klavier klangen. Die größte Herausforderung bei den „Lonely Avenue“-Lyrics war für ihn, dass er so wenig Zeit hatte – drei Minuten statt 300 Seiten. Schlimm! „Andererseits war gerade das natürlich die Herausforderung. Und wenn ich gerade keine Lust mehr auf das größere Projekt hatte, an dem ich arbeitete, dann habe ich mich um diese Songtexte gekümmert. Ich griff danach wie nach einem Kreuzworträtsel. Das war für mich die schönste Ablenkung.“

In den vergangenen Jahren hat Hornby an mehreren Drehbüchern mitgearbeitet. Für das zu „An Education“ wurde er sogar für einen Oscar nominiert. Er genießt Kollaborationen immer mehr, gibt er zu: „Wenn man den ganzen Tag allein vor sich hinarbeitet, kommt immer der Punkt, an dem man heftig zu zweifeln beginnt. Genie, Wichser – irgendwo dazwischen schwankt man permanent. Im Kopf sammelt sich so viel Lärm an, so viel Drama, man kämpft mit sich selbst – und dann kommt man nach Hause und hat gar nichts Spannendes zu erzählen, weil eigentlich nichts passiert ist … Es wird hart, demnächst wieder allein an einem Buch zu hocken.“ In dem Song „A Working Day“ beschreibt er genau diese Situation. Zuerst hält sich der Protagonist für den Größten, dann kommt er zu dem verzweifelten Schluss: „I’m a loser, I’m a poser/ Yeah really, it’s over/ I mean it and I quit/ Everything I write is shit.“ Ganz so weit ist es bei Hornby selbst freilich noch nicht.

Nun stammt Ben Folds, 45, aus North Carolina, während Nick Hornby, 53, aus Red Hill, Surrey kommt. Verständigungsprobleme gab es deshalb aber nicht, ganz im Gegenteil, so Folds: „In einer Welt, in der es so viele Künstler gibt, fühle ich mich doch oft unvergleichlich. Und damit meine ich bestimmt nicht, dass ich besser bin als die anderen. Ich passe nur nicht recht dazu. Zum Beispiel Rufus Wainwright. Den liebe und bewundere ich, aber wir haben absolut nichts gemein. Wir können zusammen in einem Zimmer sitzen und uns angrinsen, aber wir haben absolut nichts zu bereden. Mit Nick gab es gleich eine gemeinsame Basis. Ob man sie anthropologisch nennen kann?“ Ihm gefiel stets, dass Hornbys Figuren nicht stumpf sind oder eindimensional und gleichzeitig doch etwas Zeitloses haben. Während Hornby immer wichtiger ist, dass kein Zynismus seine Arbeit beschädigt: „Ben und ich wollen ja eine emotionale Reaktion auf unsere Arbeit, und die bekommt man nicht, wenn man sich über die eigenen Protagonisten lustig macht oder gemein ist. Eine wunderschöne Melodie ist doch verschenkt, wenn die Geschichte nur dazu dient, jemanden bloßzustellen. Man muss Mitgefühl mit seinen Charakteren haben.“

Je mehr die beiden miteinander sprechen, umso mehr Gemeinsamkeiten entdecken sie – gerade was ihre Art, die Arbeit anzugehen, betrifft. Da fällt Folds jetzt allerdings doch etwas Seltsames auf: „Wenn diese Pressereise vorbei ist, bedeutet das, dass wir 98 Prozent unserer Gespräche in Anwesenheit einer dritten Person geführt haben. Wenn ich Nick mal wieder in einer Bar treffen will, muss er wahrscheinlich einen Journalisten mitbringen, damit wir uns unterhalten können. Wir brauchen jetzt Aufsicht.“ Hornby legt nach: „It’s like a Victorian courtship! Wir brauchen dich als Gouvernante, um Ben vor mir zu beschützen. Sonst würde ich ihn vielleicht anspringen.“ Ben Folds lächelt ihn freundlich an. „Nur zu!“ birgit Fuss

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates