Kommentar

Urteil Kraftwerk vs. Pelham: Warum klagen sich die Düsseldorfer Altherren durch alle Instanzen?

Im Spätherbst ihrer Karriere haben sich Kraftwerk 17 Jahre lang mit einem zweisekündigen Musikabschnitt beschäftigt, der verwendet wurde, ohne sie zu fragen. Dabei gründet sich gerade ihr weltweiter Ruhm auch auf Kollegen, die Kraftwerk samplen.

Urteile von den höchsten deutschen Gerichten sind keine Schnellschüsse. Mitunter vergehen Jahre, bis ein Fall plötzlich wieder ins Licht der Öffentlichkeit poppt. Wie gerade eben, als das Bundesverfassungsgericht ein Urteil zum Mini-Sampling des Frankfurter HipHop- und Mainstream-Downbeat-Produzenten Moses Pelham aus dem (eher nicht so wichtigen) Kraftwerk-Song „Metall auf Metall“ kassiert hat. Der „kreative Diebstahl“ müsse neu eingeschätzt werden, so dass BGH in Abrede eines vorherigen Rechtspruches.

Soweit, so gut. Der Fall geht also noch einmal in die Verhandlung.

Kein Wunder auch, dass der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) die heutige Entscheidung begrüßt. In einer eiligen Stellungnahme sagt BVMI-Geschäftsführer Florian Drücke: „Das Urteil wird uns noch eine Weile beschäftigen! Gut ist, dass das BVerfG grundsätzlich klargestellt hat, dass die Kunstfreiheit nicht per se stärker ist als das Eigentumsrecht.“ Im gleichen Rundschreiben wird klar gestellt, dass der BVMI sich schon öfters grundsätzlich „gegen eine erlaubnisfreie Nutzung einzelner Klangpartikel im Rahmen des Samplings“ ausgesprochen hat. Sprich: Auch zwei Sekunden „Kling Klong“ oder „Ping Grumpf, Klock“ sind Lizenz- bzw. Clearing-relevant.

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Von den juristischen Feinheiten mal abgesehen (die eh nur die Haie der Rechte-Industrie interessieren): Warum in aller Welt klagt sich eine Altherren-Truppe wie Kraftwerk, deren weltweiter Ruhm auch von der Sampling-Wertschätzung aus der Old School des HipHop (siehe: Africa Bambaataa) kommt, noch im Jahre 2016 – also im Spätherbst ihrer Karriere – durch alle Instanzen. Wegen einer Lapalie, die in einem (längst vergessenen) Song des Rhein/Main-Rap-Sternchens Sabrina Setlur landete? Sind die Kraftwerk-Anwälte nicht ausgelastet? Geht es um die Freiheit der Kunst im digitalen Zeitalter? Von der (Rest-)Band selbst gibt es aktuell noch kein Statement (vom Gegner Moses Pelham auch nicht).

Nur soviel: Sicherlich ist das System von Moses Pelham keine kleine Indie-Butze, sondern ebenfalls eine Millionärs-Maschine, doch warum circa 20 Jahre nach den letzten großen Sampling-Prozessen noch einmal über Grundrechte gestritten wird, klingt doch sehr nach Düsseldorfer Wutbürger aus dem Gartenzwerg-Land. Kraftwerk haben zuletzt zig mal, zurecht, in staatlich subventionierten Museen gespielt. Die Band steht längst künstlerisch und auch finanziell auf dem Thron.

Da wäre doch ein wenig weniger Grundsatzhuberei angeraten. Wie sagte Pelham noch sinngemäß: „Mit diesem Urteil ist HipHop künftig nicht mehr möglich“.

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