Live-Branche schlägt Alarm: „Es wird einige Jahre Aufbauarbeit brauchen“

Live-Szene: Große Verzweiflung und keine Perspektive

Mit heftigen Appellen an die neue Bundesregierung und Bitten an die Fans, Geduld mit mehrfach verschobenen Konzerten zu haben, endete eine Pressekonferenz des „Forum Veranstaltungswirtschaft“. Das digitale Hearing fächerte die gesamte Dimension der verzweifelten Lage in der Live-Szenerie auf. Fazit: Vielfache Verzweiflung ohne klare Perspektiven. Auf und vor der Bühne herrscht zermürbende Ungewissheit. Existenznöte in der gesamten Szene.

Im Oktober keimte noch Hoffnung. Nach ersten Konzerten und DJ-Gastspielen, durchgeführt unter abgestimmten Hygienekonzepten, schien die Live-Szenerie in kleinen Schritten zur Normalität zurückzufinden. Doch mittlerweile sind landesweit die Clubs wieder dicht, nicht nur in Sachsen und Bayern. In Berlin sind „Tanzlustbarkeiten“ und Rock’n’Roll im Stehen ebenso untersagt wie in NRW. Der zweite harte Corona-Winter steht an. Katzenjammer bei Fans und Kreativen.

Das erste Quartal, wenn nicht gar das erste Halbjahr 2022, so klingt zwischen den Zeilen der Verbandsprecher/innen durch, scheint für die Szene verloren. So wurde von der neuen Bundesregierung ein „Marshallplan“ für die kommenden fünf Jahre verlangt, der eine strukturelle Erholung für die gesamte Branche ermöglicht.

„Letztlich befinden wir uns seit März 2021 in einem faktischen Lockdown“

Laut Klaus Wohlrabe vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung ist die Veranstaltungsszene der durch die Pandemie am härtesten getroffene Wirtschaftszweig. Die bestehende On/Off-Ungewissheit habe tiefe Spuren hinterlassen. Die Umsatzverluste in dieser Zeit würden sich auf 10 Milliarden Euro belaufen, so Jens Michow vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (bdv) e. V. Die kleineren Veranstaltungen, die zwischenzeitlich stattfanden, würden da kaum positiv zu Buche schlagen: „Letztlich befinden wir uns seit März 2021 in einem faktischen Lockdown“.

Nur durch die verschiedenen Corona-Fördermaßnahmen, so die Forums-Referenten, sei es bislang nicht zu einem großen Club-und Veranstalter-Sterben gekommen. Doch nun wäre ein umfassendes, auf den konkreten Bedarf zugeschnittenen Sonderprogramm für das künftige Überleben nötig.

Seit Beginn der Krise wären Musikclubs und -Hallen von allen Schließungsmaßnahmen an allererster Stelle betroffen, berichtet Axel Ballreich von der Livekomm. „Das führt zu einem Vertrauensverlust bei den Besuchern, der durch jede neue Verschiebung von Konzerten und Absagen von Partys immer größer wird. Live-Musik als Geschäftsmodell wird damit zunehmend in Frage gestellt. Wir brauchen dringend einen ‚Marshall-Plan’“.

Umsatzrückgänge zwischen 80 und 100 Prozent wären keine Ausnahme, große Tourneen bis im Frühsommer müsse man sich allein schon aus Gründen des organisatorischen Vorlaufes abschminken. Im aktuellen Vorverkauf würden bestenfalls Superstars funktionieren, andere Tourneen seien derzeit „Ladenhüter“, so Ballreich. „Eine Goldene Zeit, wie wir sie 2018 und 2019 im Livebereich erlebt haben, ist in ganz, ganz weite Ferne gerückt. Es wird einige Jahre Aufbauarbeit brauchen.“

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