Viel Glas bleibt zu zerschlagen

Junge Bands haben mit dem Sound der Gang Of Four Erfolg - deshalb greifen jetzt die Originale wieder ein.

Hugo Burnham will eigentlich wie die meisten Leute um die 50 nur seine Ruhe haben. Aus dem Musikgeschäft hat er sich vor fünf Jahren verabschiedet, lebt jetzt in einem Kaff in der Nähe von Boston und bringt am „New England Institute of Art“ jungen Menschen englische Literatur näher. Doch den vorgezogenen musikalischen Ruhestand haben ihm ein paar hippe Bands von der britischen Insel verdorben. Bands wie Franz Ferdinand, Bloc Party oder die Futureheads, die fiir ihre Musik den Ruhm einheimsen, der Gang Of Four zusteht – der Band, in der Burnham zwischen 1977 und 1983 getrommelt hat. „Ich bin zu alt, um eifersüchtig zu sein“, behauptet Burnham zwar, hat aber trotzdem die Gelegenheit genutzt, sich noch mal hinters Schlagzeug zu zwängen, wieder mit seinen alten Kollegen auf Tour zu gehen und „Return The Gift“ zu veröffentlichen.

Statt neue Stücke aufzunehmen, haben Jon King (Gesang), Andy Gill (Gitarre), Dave Allen (Baß) und Burnham für die Platte frühe Gang Of Four-Songs neu eingespielt. Die meisten stammen vom Album „Entertainment!“ aus dem Jahr 1979: „Das war eine brillante Platte, aber mit dem Sound waren wir nie ganz zufrieden. Und auch wenn ich die Songs liebe, gibt es doch einige Kleinigkeiten die ich immer gehaßt habe und ändern wollte“, sagt Hugo Burnham.

Auch wenn das Schlagzeug jetzt ungezähmter, die Gitarre präziser klingt, hat sich die Band bei dem Spaßprojekt um Werktreue bemüht und neumodische Experimente dem beigelegten Remix-Album überlassen, auf dem sich etwa Hot Hot Heat oder Tony Kanal von No Doubt an den Reglern versuchen. „Ein paar unserer Freunde hatten leider keine Zeit: die Red Hot Chili Peppers, die gerade eine neue Platte aufnahmen, oder RE.M., die auf Welttournee waren“, sagt Burnham. „Sie sind alle zu sehr damit beschäftigt, Geld zu machen.“

Das war die einzige Sache, in der Gang Of Four nie gut waren, weil sie ihrer Zeit zu weit vorauseilten. Während der Punkrock zwar in seiner Haltung revoltierte, musikalisch aber gewohnte Hardrock-Strukturen verarbeitete, nahmen Gang Of Four alles Gewohnte auseinander, ließen Walter Benjamin mit Chic, Parliament mit Dr. Feelgood herumzappeln. „Das besonders Typische an unseren Songs ist, daß es bei uns nichts Bequemes gibt“, sagt Burnham.

Und keine Kompromisse. Bei „Tops Of The Pops“ wurde die Band damals etwa wieder ausgeladen, weil sie sich weigerte, aus dem Song „At Home He’s A Tourist“ (Platz 58 in den Charts!) das Wort „rubbers“ (Kondome) zu entfernen. „Heute könnten wir damit bestimmt keinen Skandal mehr auslösen“, glaubt Burnham, „trotzdem würde die BBC sicher irgendeinen Grund finden, uns nicht spielen zu müssen.“

Noch sicherer ist er sich, daß es keine Platte mit neuen Gang Of Four-Songs geben wird: „Wir sind alte Männer, die Leben und Karrieren in verschiedenen Teilen der Welt haben“, sagt er. Außerdem glaube ich nicht, daß die Welt auf neue Songs von uns wartet.“ Wenn er sich da mal nicht gründlich täuscht.

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