Vielleicht mit ihm, vielleicht mit Benjamin

Die "Nouvelle Chanson" -Sängerin Keren Ann hat schon zu Hause in Frankreich die Plattenfirmen um den Verstand gebracht - weil sie zu viel Musik macht

Letzte Weihnachten brach Panik aus in Frankreich. Naja, keine Massenpanik, aber fast. Wie können denn auch drei Plattenfirmen innerhalb von zwei Wochen drei Veröffentlichungen von ein- und derselben Künstlerin herausbringen? „Das war schon ein Chaos“, erinnert sich Keren Ann Zeidel lachend. „Keiner war glücklich.“ Sie selbst schon, denn „wenn es draußen ist, kann man wieder was Neues anfangen. Und das allein zählt, nicht die Strategie“. Zeidel, 29, lebt wohl für die Musik (und die Poesie und die Liebe…) und erst seit ihrem elften Lebensjahr in Paris. Zwei französische Alben etablierten sie dort (unter ihrem Vornamen Keren Ann) in der nouvelle scene. Auf „Not Going Anywhere“ singt sie ihren zarten, nie bloß gefühligen Folk-Pop nun erstmals auf Englisch. „Französisch ist ja nicht meine Muttersprache“, sagt sie fast entschuldigend, ihre Eltern hätten „immer Englisch“ miteinander gesprochen. „Mit Akzent.“ Der Vater ist Israeli, die Mutter Holländerin. So wurde Sprache für Zeidel nie zum Dogma.

.Atmosphären existieren überall“, sagt sie pragmatisch. „Die Melodie bringt die Atmosphäre, Sprache ist nur ihre physikalische Form. Es gibt einfach Songs, die in Französisch nicht funktionieren.“ Auch gibt es bei ihr ursprünglich englische Songs wie „Spanish Songbird“, die sie von anderen Leuten ins Französische übertragen ließ – und solche, die problemlos zweigleisig liefen wie „Right Now & Right Here“.

Letztere entstanden noch mit ihrem Mentor Benjamin Biolay, von dem sie sich nun emanzipiert hat. Es sei, begründet Zeidel, „einfach der Punkt gekommen, wo du immer wieder denselben Song schreibst Es ist wichtig zu wissen, wann man aufhören muss mit einer Kollaboration“. Zudem war längst ein anderer Kreativpartner in ihr Leben getreten. Mit dem Isländer Bardi Johannsson betreibt sie das versponnene Alter Ego-Duo Lady & Bird, die ihrer Meinung nach Folk-Songs spielen, wozu sie offenbar auch das Velvets-Cover „Stephanie Says“ und die „Mash“-Filmmusik „Suicide Is Painless“ zählt. Natürlich gastierte Zeidel dann auch auf dem Album von Johannssons Band Bang Gang, Veröffentlichung Nummer drei. Zeidel, selbsternannte Projekt-Touristin, „So läuft das bei mir: Ein Monat mit ihm, ein Monat allein, vielleicht wieder ein Monat mit Benjamin. Von einem Studio zum anderen. Mit neuen Ideen. Man kann nicht alles alleine tragen, so wie bei dieser Platte. Das ist schon schwer.“

Nicht so schwer wie für die Firmen. Jetzt ist das Problem auf der anderen Rhein-Seite angekommen, allerdings entschärft: „Not Going Anywhere“ und „Lady & Bird“ sind nur zwei Parallel-Veröffentlichungen auf zwei Labels desselben Konzerns.

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