Von der Welt getrennt

Mit seiner Band Smog entwirft Bill Callahan unausweichliche Musik

Geschlossene Räume haben für Bill Callahan nichts Bedrückendes. Der Mann hinter Smog hat die meiste Zeit des Lebens glücklich in seinem Zimmer verbracht – erst im Kinderzimmer, später im eigenen Appartement. Allein. Oder fast allein. Schließlich hatte er ja seine Bilder im Kopf und dachte sich wunderschöne Melodien aus. Jetzt ist Smog eine Band, Callahan tourt über den Globus und muß Interviews geben. Das verändert die Sicht, das öffnet den Blick.

Das verwirrt aber auch. „Ich habe während der Tour Bilder von den Pest-Kranken in Indien gesehen. Auf einmal wußte ich, wieviel Elend es gibt“, sagt der Endzwanziger. Und in seiner schleppenden Sprechweise, die jedes Wort abwägt, bevor es in die Öffentlichkeit entlassen wird, fügt er hinzu: Versteh mich nicht falsch, an Politik bin ich noch immer nicht interessiert. Diese neue Verbundenheit mit der Welt stellt eine Gefahr für Smog dar. Bis jetzt entstanden Callahans Stücke in einem referenzfreien Raum. Es gibt weder ein Bezug zu anderen Home-Recording-Acts, noch einen Verweis auf Musik anderer Szenen und Zeiten. Jeder Ton, jedes Wort steht für sich. Lassen wir ein paar Songs Revue passieren: „In Your Face“ beschreibt Callahan das Gesicht eines Mädchens, das ihm einen Orgasmus vorspielt. „37 Push Ups“ handelt von der Fremde in Hotelzimmern, und in „Your Wedding“ weidet sich der hübsche Kauz an der Vorstellung, wie er besoffen auf der Hochzeit der Geliebten erscheint. Hier singt jemand, der von der Welt durch einen Bann getrennt erscheint Die Musik besitzt eine kühle Statik. Gefühl wird nicht in Groove – wie immer der geartet sein könnte – ausgelebt.

Das macht Smog unausweichlich. In ihren Shows, zumindest in den offiziellen, hat die Band etwas von dieser Unausweichlichkeit verloren. Callahan: „Wir sind uns nicht ganz sicher, was die Leute hier von uns erwarten. So rocken wir zuweilen.“ Ein Fehler, wie sich gezeigt hat Beim Auftritt im Hamburger „Knust“ etwa türmten sie die epischen Elektro-Songs von „Burning Kingdom“ zu dröhnigen Depro-Manierismen auf. Wenn man immer ohne Blick auf die Geschichte gearbeitet hat, läuft man eben in Momenten, da man sich um ein potentielles Publikum schert, Gefahr, selbige zu wiederholen. Tags drauf traten Smog in „Heinz Karmer’s Tanzcafe“ auf, wo es an Sonntagen beschaulich zugeht. Keiner drängte sie, und so waren gegen eins, als sich die drei endlich an den Instrumenten zu schaffen machten, nur noch zwei Dutzend Leute in der Kiez-Bar. Was kam, war groß. Caüahan kauerte reglos auf seinem Verstärker und memorierte Vergessengeglaubtes. Sogar der Hymne „When You Walk“ entsann er sich. Im Wohnzimmer von Freunden ist’s halt immer noch am schönsten.

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