Von Joe’s Garage zu Jim’s Jacket

Tori Arnos wollte mit ihm arbeiten, weil ihr der Klang seines Nachnamens gefiel, für Frank Zappa war er zunächst nur ein Notnagel, und Carl Broemel von My Morning Jacket verweist auf des Produzenten schier unerschöpfliche Arsenal an Schnurren aus „den alten Zeiten“ – Joe Chiccarelli kommen bei der Auftragsvergabe offenbar nicht nur seine Kernkompetenzen zugute.

Der Mann ist also beliebt, aber das allein erklärt wohl kaum seine beeindruckende Vita. Über die Jahre hat Chiccarelli unter anderem mit U2, Elton John und Beck gearbeitet. Zuletzt half er den White Stripes bei deren „Icky Thump“ und betreute „Wincing The Night Away“ von The Shins. Trotz zahlreicher Grammy-Nominierungen und -Auszeichnungen ist der in Boston Geborene und in New York Aufgewachsene ein vergleichsweise unbeschriebenes Blatt geblieben. Was daran liegen mag, dass er prestigeträchtige Produzentenjobs nur unter klar definierten Vorraussetzungen akzeptiert und selbst nach über 30 Jahren im Geschäft meist wenig spektakulär als Engineer und Mischer arbeitet. „Ich bin einfach nicht bereit, drei oder vier Monate an einer Platte zu arbeiten, wenn mir die Musik nicht gefällt“, erklärt Chiccarelli. „Außerdem muss klar sein, dass ich wirklich etwas beisteuern kann, bevor ich ein Projekt übernehme. So bin ich zum Beispiel ein ergebener Fan von Björk oder Nick Cave, wüsste aber beim besten Willen nicht, wie ich deren Musik besser machen sollte, als sie bereits ist.“

Seinen ersten Job verdankt er einem läppischen Zufall: Eigentlich wollte Chiccarelli Maler werden, doch die Eltern prophezeiten ein Leben in Armut, worauf er sich – kaum einträglicher – eine Weile als Bassist versuchte, bevor er schließlich durch die Vermittlung eines Cousins erste Studiojobs angeboten bekam. Inzwischen in Los Angeles ansässig, war der damals 20-Jährige nun als ständig abrufbarer Aushilfstechniker in den Cherokee Studios vor allem für die bei den Kollegen wenig beliebten Nachtschichten mit schwierigen Klienten zuständig.

Als ein solcher galt auch Frank Zappa, der sich gerade in der heißen Produktionsphase seines Albums „Sheik Yerbouti“ befand, für das er in jener schicksalhaften Nacht vor 30 Jahren einige Overdubs aufnehmen wollte. Dummerweise war der etatmäßige Techniker kurzfristig verhindert, und so beförderte Zappa – keineswegs gewillt, sich von der Arbeit abhalten zu lassen – kurzerhand den völlig unerfahrenen Ton-Assi Chiccarelli zu seinem Chef-Engineer. Der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die unter anderem noch die Alben „Joe’s Garage“ und „Baby Snakes“ abwarf. „Frank war mein Mentor“, erinnert sich Chiccarelli heute. „Von ihm habe ich gelernt, Grenzen zu sprengen und Regeln außer Acht zu lassen – eine unschätzbare Erfahrung.“

Die Jahre mit Zappa mögen den Grundstein gelegt haben, den letzten Schliff holte Chiccarelli sich jedoch später als langjähriger Assistent von Roy Thomas Baker, jenem vor allem durch seine Arbeit mit Queen bekannt gewordenen Gigantomanen mit ausgewiesener Vorliebe für endlose Studio-Exzesse.

Die damals gewonnenen Erkenntnisse dürften Chiccarelli bei der Konzeption des klangcharakteristisch durchaus opulent angelegten „Evil Urges“ dienlich gewesen sein. Feuriger My Morning Jacket-Sympathisant war der Produzent bereits, seit er Jim James und Co. einst auf der Branchenmesse South By Southwest gesehen hatte. Über einen gemeinsamen Freund, den Produzenten Mike Daly, kam nun sechs Jahre später der Kontakt zustande, als die Band auf der Suche nach einem geeigneten Produzenten für den „Z“-Nachfolger war.

Jim James erinnert sich: „Wir trafen uns mit einer Menge Leute, aber keiner von ihnen hatte diesen speziellen Funken, nach dem wir suchten.“ Mit Chiccarelli hingegen habe es auf Anhieb gefunkt: „Wir mochten sofort seine absolut eigene und sehr spezielle Energie.“

Auch der so Gepriesene will beim üblichen Austausch von Nettigkeiten nicht zurückstehen, bezeichnet MMJ als „eine der leidenschaftlichsten Bands überhaupt“ und als „großartiges, hart arbeitendes, detailversessenes Team mit einem klaren und von allen akzeptierten Chef Jim James“.

Die größte Herausforderung dürfte für Chiccarelli darin bestanden haben, innerhalb der einschworenen und mit klarer Zielvorgabe arbeitenden Band überhaupt seine Rolle zu definieren. Die ersten drei Alben hatten My Morning Jacket bekanntlich im Alleingang produziert – und selbst wenn sie seitdem im Studio auf Hilfe von außen zurückgreifen, hat James immer noch ganz besonders klare Vorstellungen, wie die Platten seiner Band zu klingen haben. Laut Chiccarelli wurde seine Autorität jedoch in vollem Umfang akzeptiert.

Inzwischen ist Schattenmann Chiccarelli, der nach eigenen Worten seine Zeit im Rampenlicht als junger Musiker gehabt hat, schon wieder ganz woanders. Aktuell arbeitet er zusammen mit Donovan Frankenreiter, ehe dann später im Jahr ein weiteres Großprojekt seiner harrt: das nächste Mika-Album.

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