Warum Musiker plötzlich ihre Songtexte in Büchern abdrucken lassen






Warum Musiker plötzlich ihre Songtexte in Büchern abdrucken lassen


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Natürlich ist ein Buch von Neil Tennant, das gesammelte Lyrics verspricht, nicht einfach nur eine schnöde Anei­nanderreihung von Songtexten. Wohl kaum eine Band der jüngeren Musikgeschichtsschreibung ist so sehr bemüht darum, das eigene Werk zu pflegen und es gleichzeitig selbst zu interpretieren, wie die Pet Shop Boys. Keine Live-DVD ohne Audiokommentar, kein Reissue ohne ausführ­liche Liner­notes.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Tennant, die ­Hirnhälfte des Duos, einer der versiertesten Musikdichter seiner Generation ist. Seine Texte spiegeln den Ennui der Moderne und komprimieren den Kitsch großer Popkultur-Mythen (Liebe, Freiheit, Tod) zu unwiderstehlichen Analogien. Eines nackten Beweises ihrer Ausdruckskraft ­ohne Beats und visuelle Codes auf Papier hätte es nicht bedurft. Aber der ehemalige Musik­journalist hatte ja schon immer ein sagenhaftes Gespür für den Zeitgeist und die Bedürfnisse des Marktes.

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Songwriter-Textsammlungen boomen seit Dylans Maxi-Kompendium seiner eigenen Lyrics. Verweigerungspoet Scott Walker legte noch vor seinem Tod nach, und selbst Stuart Staples verewigte seine gesammelten Tindersticks-Murmeleien zwischen Buchdeckeln.

Was Neil Tennants Band von seinen geistreichen Kollegen abhebt, ist der Versuch, das eigene Schreiben fast schon neurotisch den großen Stimmen der Literatur unterzuordnen und die Entstehung seiner oft genug satirischen Sprachschöpfungen dennoch mit knappen Kommentaren als kluge wie melancholische Auseinandersetzung mit Fitzgerald, Wilde, Eminem und vielen anderen zu hinterlegen. Geradezu genial ist die Einführung, die der Ironiker dazu nutzt, auf wenigen Seiten einen autobiografischen ­Abriss zu liefern, der ihm die Mühsal eines derart eitlen Projekts für die ­Zukunft erspart.