Neunte Kunst

Sind Superhelden-Filme Vorbereiter für einen neuen Faschismus?

„Watchmen“-Schöpfer Alan Moore beklagt einen neuen Infantilismus vor allem unter jungen Männern, der gefährliche Auswirkungen haben könnte.

Seit Jahren tobt eine ziemlich heftige Diskussion um den Wert von Superhelden-Filme. Kein Wunder, denn es gibt ja so viele wie nie zuvor – und dazu kommt nun auch ein Boom an hochwertig produzierten Serien. Während es auf der einen Seite die Super-Nerds gibt, die sich einlassen auf die Tiefendimension der Geschichten, und es auch gute (psychologische) Gründe für die Existenz dieser Filme gibt, können andere den Hype kaum noch ertragen.

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Dazu gehört ausgerechnet auch „Watchmen“-Schöpfer Alan Moore, der schon vor einiger Zeit seinen Rückzug aus der Comicwelt angekündigt hatte. Nun legt er mit einer fundamentalen Kritik an den Superhelden-Epen auf der großen Leinwand nach.

In einem neuen Interview mit dem „Guardian“ sagte er mit großem Ernst, dass die „Infantilisierung“ von Erwachsenen, die all diese Filme lieben und regelrecht verehren, durchaus „ein Vorläufer des Faschismus“ sein kann.

Alan Moore

Moore präziser: „Bereits 2011 sagte ich, dass ich glaube, dass es ernste und besorgniserregende Folgen für die Zukunft hätte, wenn Millionen von Erwachsenen Schlange stehen würden, um Batman-Filme zu sehen. Weil diese Art von Infantilisierung – die eine Sehnsucht nach einfacheren Zeiten und unkomplizierten Realitäten ausdrückt – durchaus ein Vorläufer des Faschismus sein kann.“

Donald Trump und Superhelden-Filme

Als Beweis wies Moore darauf hin, dass der vorläufige Höhepunkt der Superheldenfilm-Welle 2016 war, als Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Für den Schriftsteller fast eine Art Ausstieg aus der geregelten Politik – mit all den bekannten Folgen.

Man mag Moore zugutehalten, dass er sich mit seinen Comics wie „V für Vendetta“ vor allem an Erwachsene richtete, dennoch scheint ihm sehr bewusst zu sein, wer tatsächlich die Zielgruppe all dieser Superhelden-Welten ist. „Erwachsene wollen Charaktere und Situationen deshalb sehen, weil sie geschaffen wurden, um die 12-jährigen Jungen – und es waren immer Jungen! – von vor 50 Jahren zu unterhalten.“

Szene aus „Spider-Man: Homecoming“

Er selbst habe nie daran geglaubt, dass all die Superhelden-Storys wirklich „Erwachsenenkost“ seien. Ein Missverständnis, das seiner Meinung nach in den 80er Jahren entstand (als tatsächlich auch zahlreiche Stoffe düsterer und in der Erzählausrichtung ambivalenter wurden) und an der er durchaus seine eigene Schuld trage, wie Moore sagt. „Es gab eine Menge Schlagzeilen wie ‚Comics sind nun endlich erwachsen geworden‘.“

Moore weiter: „Ich neige dazu zu denken, dass Comics in Wahrheit nie erwachsen geworden sind. Es gab ein paar Titel, die erwachsener waren, als die Leute es gewohnt waren. Aber die meisten Comic-Titel waren so ziemlich die gleichen, wie sie es immer gewesen sind. Comics haben sich nicht wirklich weiterentwickelt. Sie entsprachen eigentlich emotional stets der Zielgruppe, die sie ansprachen.“

Junge Männer sollten sich nicht mehr für ihre infantile Liebe schämen

Bereits im Jahr 2007 – ein Jahr, bevor „The Dark Knight“ den neuen Boom der Superhelden-Filme begründete – sagte Alan Moore, dass eine Kultur, die solche Filme feiere, „äußerst peinlich“ sei. Solche Filme, wurde er deutlich, symbolisierten einen „selbst auferlegten emotionalen Stillstand des Publikums“.

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Später ergänzte der Autor, der mit „The Killing Joke“ auch eine der bedeutendsten Batman-Storys geschrieben hat und damit wohl auch dem Joker als popkultureller Paradefigur des anarchistischen Bösen zum Aufstieg mitverhalf, dass der Erfolg des vermeintlich komplexen „Graphic Novel“-Genres nur als Beiläufer entstand und der eigentliche zweifelhafte Nebenerfolg vor allem war, dass junge Männer sich für ihre Liebe zu Spider-Man und Batman nicht mehr schämen mussten.

SFX Magazine Future via Getty Images
Sony Pictures
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