Weil Johnny Marr nicht wegen der Mädchen dabei ist, hat er viel Zeit zum Musikmachen

Die angenehme Seite des Britpop sitzt vor mir. Einfach so, wie der Gentleman von nebenan. Tee oder Kaffee? Mit Milch? Schon ist der Löffel Zucker in meiner Tasse. Der Gitarrist und Songwriter, der immer noch diesen beneidenswert vollen, schwarzen Pilzkopf trägt, der sich ins Panoptikum der Pop-Geschichte gebrannt hat wie Morrisseys linkische Gesten, ist von pubertären Allüren ähnlich weit weg wie das Smiths-Single-Debüt „Hand In Glove“ ’83 vom ersten Marr-Solo-Album „Boomslang“ 2003.

Aber dass es überhaupt eines gibt nach all den Jahren, grenzt ja schon an ein Wunder. Marr und Drummer Zak Starkey (der Ringo-Spross) waren sich schon 1997 erstmals begegnet; Alonza Bevan (Ex-Kula Shaker) stieß als Bassist zwei Jahre später zu den Healers. Was dann kam, beschreibt Marr als „ein ständiges Start-Stop-Start-Stop“. Denn der Mann braucht eigentlich keine eigene Band. Ein Auszug aus seinem Arbeitsnachweis seit 1999? Ein Electronic-Album mit New Orders Bernard Sumner, Sessions mit Beck („Midnight Vultures“) und Oasis („Heathen Chemistry“), Co-Writing mit Beth Orton, eine Tour als Oasis-Support, ein längeres Intermezzo in der Band von Neil Finn. Kaum war Marr von der Tour zurück, verwarf er vieles wieder, was er mit den Healers erarbeitet hatte. „Und nun“, lacht er, „fragen mich Freunde, wo denn die ganzen Songs geblieben sind, die sie schon kannten.“ Da liegt das Thema Perfektions-Paranoia nahe. Woraufhin Marr irgendwann sagt, er könne sich selbst halt nur noch schwer beeindrucken – nach einem schönen Monolog über das magische Mysterium Popmusik, welches ihn seit seinem elften Lebensjahr umtreibe.

Dem glaubt man glatt, wenn er sagt, er sei nicht der Typ, der wegen der Mädchen in eine Band wollte. Marr erzählt lieber die Anekdote vom Spielzeugauto seines Bruders, mit dem er Singles herunterbremste, die ihm zu schnell liefen, vor allem die Fade-Outs: „Die Leute, mit denen ich gearbeitet habe, werden es dir bestätigen: Wenn das Fade-Out kommt, treibe ich alle in den Wahnsinn!“

Man kann mit Johnny Marr wunderbar reden über diese „vier Minuten Transzendenz, die ein großer Pop Song ermöglicht“. Das Problem ist nun Auf „Boomslang“ fahndet man eher vergeblich nach himmlischen Fingerzeigen, findet sie ansatzweise nur in den Akustik-Songs. Und was bleibt sonst? Marr: „Der Rest sind doch immer bloß ein paar blöde Rock’n’Roll-Songs, die ganz alright klingen. Und das ist auch okay.“ Okay, Johnny, weil du es bist.

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