Wenn Helge Schneider ganz ernst wird, ist es am lustigsten: Also hat er ein seriöses Rock-Album mit Cover-Songs eingespielt

Das also ist die Probe für New York, Rio, Tokio. Schlecht rasiert in einem Cordjacket bei grünem Tee. Wenigstens sagt er nicht „hi guy“ oder „nice to meet you“, sondern immer noch „Gut’n lach“. Aber niemand möge sich täuschen, das internationale Parkett hat nur auf ihn gewartet, und jetzt, Halleluja oder gnade uns Gott, ist er da – der Rockstar Helge Schneider. Und stolpert dem Sofa entgegen, als habe er gerade Hals über Kopf das verwüstete Appartment verlassen und in der Eile nicht einmal mehr den Kamm finden können.

Die Contenance aber, die der Mülheimer bei Presseterminen sonst mit Vorliebe gleich an der Garderobe abgibt, findet er jetzt ungeheuer schnell wieder. Keine Faxen und linksgestrickten Valentinaden, heute hat er sich zum Dialog unter zivilisierten Leuten entschlossen. Wenn er dabei manchmal den Faden verliert, ihm ziellos hinterher springt und plötzlich nicht mehr weiß, wo er gerade ist – nun gut, schließlich war der Mann ja mal ein Komödiant Im früheren Leben, damals. Jetzt aber hat er sich „der Musik der zornigen, jungen Männer“ verschrieben, und die nennt er Rockmusik. Dafür hat Helge E-Gitarre geübt und sich einer Sprache befleißigt, die in glücklicheren Momenten an die englische erinnert. Und deshalb hat er die „Firefuckers“ gegründet, ein höllisches Quartett aus Schlagwerk, Baß „und zwei Heldengitarren“, bei dem zuweilen „mein Nachbar Gleithman Saxophon spielt, tanzt oder auch auf der Bühne bastelt. Hörner zum Beispiel, wenn der Song ‚Room To Room With The Devil‘ kommt“.

Und der kommt ganz gewaltig, genauso wie seine Cover-Versionen von „Hey Joe“ und „My Generation“, „A Whiter Shade Of Pale“ oder „Ebony & Ivory“ seines Albums „Eiersalat in Rock“. Der Allmächtige schütze den Herrn Schneider vor den Rachegelüsten der Bestohlenen! Und bewahre uns den Hasardeur von der Ruhr, der endlich all jene eines Besseren belehrt, die schon daran glaubten, der Rock’n’Roll anno 1999 sei kern bißchen mehr zum Lachen. Schade nur, daß Helge sich an diesem Tag zum seriösen Auftritt vor den Medien entschlossen hat und selbst gar nicht über sein CEuvre lachen mag. Eine „unheimliche Scheiße“ wäre das, wenn er jetzt „der Komiker wäre, der nur einen auf Rockstar macht“. Wichtig sei ihm einzig und allein, „daß meine Sache absolut glaubwürdig ist“, betont Helge.

Ja nun, aber Sätze wie „Lättas Ei fritten“ zu einer Plastikstromgitarre…? „Nein, nein!“, beschwichtigt er, blickt auf den Boden, dann zur Decke, „wir sind, sach ich mal so, musikalisch total on tob – sonst könnte ich doch den Titel Rockstar gar nicht führen!“ Juchhe, doch noch Pointen!

Immer mehr sogar, je weiter Helge Schneider sich in die Dramaturgie seiner Comedy-Shows verstrickt, dabei über Assoziationsketten stolpert, fünf Ziele zur selben Zeit anvisiert, zehnmal danebenschießt sowie Blindekuh mit den eigenen Anekdoten spielt Ob denn die Band tatsächlich geprobt und nicht doch einfach immer gleich den ersten Take genommen habe? „Ich geb jetzt mal ’n Beispiel!“ Zurücklehnen, anschnallen. „So ’n Ohrwurm wie ‚Still Got The Blues‘ von Gary Moore, also paß auf, ist eigentlich auch ganz lustig. Ich hab mir so Rockbücher gekauft, wie früher die von Peter Bursch, ,Gitarre für jedermann‘, schlag das auf, aha, ‚Still Got The Blues‘, kenn ich doch. Ich leg das den Jungs vor, die können ja alle Noten, frag, wollen wir das einfach mal aufnehmen? Ich nehm also meine Gibson Birdland und dreh den Fender Superreverb, kann man ja mal sagen, is ja ’n Musikmagazin, also voll auf oder halb und spiel ’n Solo. Hör mir das an und sag: Ja, gut, alles klar, besser kann man’s nich machen. Da wird ganz deutlich, hier hat keiner geübt, hier hat sich einer was ausgedacht und das klingt gar nich wie von Gary Moore. Auch wenn das für ’n Gitarero, der 30 Jahre geübt hat, ’n rotes Tuch is. Aber von denen stell mal hundert in eine Reihe, die spielen sagenhaft, wie der liebe Gott, sogar mit Flageolett – aber keiner wird berühmt Und warum nich? Weil da einfach nix passiert bei denen! Bis auf Jeff Beck vielleicht, aber der weiß ja auch, wie wichtig der Blues is! Andere spielen so ’ne Bauklötzchen-Musik, die heißt dann Fusion, also hiervon was und davon. Nicht mein Ding, hab ich aber jetzt mit ,Beside The Snake‘ auch mal versucht und ist irgendwie ganz lustig. Nur bloß nicht immer so todernst an so ’ne Sache rangehen! Wie war doch gleich die Frage?“

Und schon können wir uns ziemlich genau – oder noch besser – vorstellen, was für ein umwerfendes, wegweisendes, innovatives, süperbes, ja noch nie dagewesenes Werk dem Rockstar Helge Schneider mit seinem delikat angemachten Eiersalat in Rock gelungen ist. Damit wird der Mann, keine Frage, auch New York, Rio und Tokio sturmreif schießen. Und Salate sind ja bloß Appetizer.

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