White Lies: Gedanken über den Tod

Die britische Band White Lies evoziert mit Blut und Grabesstille Joy Division-Vergleiche.

Es ist schnell gegangen mit den White Lies. Vor gut einem Jahr der erste Auftritt, direkt danach ein großer Plattenvertrag und im Januar dann auf Platz eins der englischen Hitparade. Das geht nicht mit rechten Dingen zu, argwöhnt mancher Beobachter – und vermutet ein Komplott der Musikindustrie.

Immerhin: Einen Masterplan hat es gegeben. Harry McVeigh (20), Jack Brown (20) und Charles Cave (21) gaben sich den Namen White Lies vor etwa zwei Jahren, die vorige Band Fear Of Flying war nur ein erster, nun ja: Gehversuch. Mit dem neuen Namen kamen eine neue Stilistik und eine generalstabsmäßige Vorbereitung auf die Karriere.

„Wir hatten dieses eine neue Lied, und plötzlich wurde uns klar, wer wir sein könnten. Alles hat sich auf diesem Lied aufgebaut – wie wir klingen, was wir anziehen, worüber wir singen, auch unser Artwork. Das war schon sehr überlegt.“ Das besagte Lied heißt „Unfinished Business“ und ist ein Kernstück des jetzt auch bei uns erschienenen Albums „To Lose My Life …“.

Bei vielen Texten auf dieser Platte geht es um Blut und Tod und Grabesstille, die englische Presse strengt allen Ernstes Vergleiche mit Joy Division an. Das ist blanker Unsinn, weil zumindest die Musik der White Lies gar nicht suizidal wirkt, nicht mal wirklich düster. Eher vermengen sich auf der Platte 80s-Pop mit 80s-Wave und 80s-Rock, gespielt aus der Warte von jungen Leuten, deren Sozialisation diesseits der Jahrtausendwende stattfand.

„Wir kennen die Originale oft gar nicht“, bestätigt McVeigh, „ich bin mit Interpol aufgewachsen, nicht mit Joy Division.“ Warum nun also die grausliche Lyrik? Auch dafür hat McVeigh eine konzeptionelle Antwort. „Es steckt etwas Tröstliches darin, Gedanken über den Tod mit einer eher romantischen Musik zu verbinden. Es fühlt sich gut an, in diese Tiefen zu steigen, wenn dich der Song nicht gleich mit ins Verderben reißt. Sicher klingt das ein bisschen cheesy, aber für uns ist das eine Art Therapie.“

Weil der große Deal so schnell kam und die Plattenfirma die Zielstrebigkeit ihrer neuen Vertragspartner schätzte, konnten White Lies ihre Platte recht luxuriös in den Brüsseler ICP Studios produzieren. Auch bei der Produzentenwahl bewies die Band Geschick: Ed Buller (Suede, Pulp) hat seit den Neunzigern keinen großen Erfolg mehr gehabt – er sei entsprechend hungrig gewesen, sagt McVeigh listig. Und der in London lebende Deutsche Max Dingel hat in letzter Zeit als Toningenieur bei großen Produktionen mitgewirkt.

„Er ist auf dem Sprung zu einer Karriere und hat sich entsprechend ins Zeug gelegt“, weiß McVeigh. Nur Mischer Alan Moulder (The Killers, Smashing Pumpkins) muss keinem mehr was beweisen. Er kleidete „To Lose My Life …“ in einen streng kontrollierten, glasklaren Mix, der trotzdem nicht übertrieben kühl wirkt. „Wir waren nicht dabei“, sagt McVeigh und gibt zu, mit dem Loslassen Probleme gehabt zu haben. „Die Resultate waren dann aber großartig – er hat unsere besten Seiten nach außen gekehrt.“ Ganz ohne Hilfe ist eben auch nichts.

Jörn Schlüter

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