Wie Bruce Springsteen zur Zukunft des Rock and Roll wurde
Im Publikum war auch Robert De Niro. Das herausfordernde „You talkin’ to me?“ lauschte er bei Springsteen ab.
August 1975: Tobender Stier – Bruce Springsteen wird in New York zur Zukunft des Rock’n’Roll
Im August 1975 waren Bruce Springsteen und die E Street Band für zehn Auftritte in dem kleinen New Yorker Club Bottom Line im Greenwich Village gebucht. Weil die Veröffentlichung von Springsteens drittem Album, „Born To Run“, bevorstand, lud sein Label Columbia mehr als 1000 Gäste aus der Musikbranche ein, um zu erleben, was Fans schon lange wussten. Gitarrist Steven Van Zandt: „Die Leute abheben zu lassen, war für uns Routine. Das machten wir seit zehn Jahren. Und in diese Shows steckte Bruce jedes einzelne dieser zehn Jahre.“ Die Band spielte zwei Mal pro Abend, und jeder Gig war von atemberaubender Intensität, jeder ein wildes, lebensbejahendes Fest. „Das war unsere Einstands-Party“, meint Springsteen.
„Und wir veränderten uns im Laufe dieser fünf Tage. Wir gingen anders heraus, als wir hereingekommen waren.“ Von den ersten Noten von „Tenth Avenue Freeze-out“ an (mit dem seine Konzerte fast immer losgingen) fegte Springsteen durch den Laden wie ein wild gewordener Bulle …„Seine Kraft war unglaublich“, erzählt Stanley Snadowsky, einer der Besitzer des Bottom Line. „Er kletterte auf Säulen, aufs Klavier, auf die Tische. Er stellte sich vor den Leuten aus mit einer Waghalsigkeit, die jeder im Raum spüren konnte.“ „Es war die Energie der Band, die mich auf die Tische trieb“, meint Springsteen. „Wenn man in einem so kleinen Club spielt, fängt der Raum schnell an zu brodeln. Darauf waren wir vorbereitet. Wir hatten endlos Erfahrung damit.“
Springsteen und die E Streeters röhrten durch zweistündige Sets, bei denen die Reihenfolge der Stücke zwar variierte, aber der emotionale Höhepunkt immer derselbe war: eine fesselnde Version von „Thunder Road“, bei der Springsteen – anders als bei der Fassung auf dem Album – ganz allein am Klavier saß. „Die Band konnte den Song nicht so gut“, gesteht er. „Das war der einzige Grund, warum ich es solo spielte.“ …Trotz des Jubels aus dem Publikum war Springsteen nicht überzeugt, dass sie wirklich ihr Bestes gegeben hatten. „Nach einem der Sets kam Peter Wolf in die Garderobe“, erinnert sich Springsteens Manager Jon Landau. „Bruce war ein bisschen unsicher, was die Qualität des Auftritts betraf, aber Wolf sprang ihn förmlich an und schrie, wie irre toll es gewesen sei. Eine verrückte Szene – besonders, weil Bruce Peter damals kaum kannte.“
Im Publikum war an einem der Abende auch Robert De Niro, der mit Martin Scorsese „Taxi Driver“ in der Stadt drehte. Das herausfordernde „You talkin’ to me?“ lauschte er bei Springsteen ab. Und was bekam Springsteen zur Belohnung? Eine Lebensmittelvergiftung. „Nach der letzten Show brachte jemand eine Platte Grillhähnchen rein, die wir sofort wegputzten“, erzählt er. „Die müssen schlecht gewesen sein, weil die Fahrt zurück nach New Jersey alles andere als ein Vergnügen war. Eine der größten Band-Kotzereien aller Zeiten.“