Wie war das noch mal mit Rage Against The Machine?

Das Timing stimmt: Am Wochenende headlinen sie Rock am Ring, Rock im Park, letzten Freitag erschien die 5-CD-Box mit ihren Nachlass für die Popkultur. Wir verlosen das schmucke Stück, erinnern uns an RATM und fragen: Sind die noch zeitgemäß?

In Sachen Musiksozialisierung konnte man es schwer haben Mitte der Neunziger. Wenn man – wie der Autor dieser Zeilen – gerade im leicht beeinflussbaren Alter um die 14 war, konnte man schnell auf die schiefe Bahn geraten und zum Beispiel plötzlich Crossover goutieren – was im Vergleich zum Grunge im Rückblick natürlich höchstpeinlich war. Jeder 90er-Jahre Teenie kann sich heute im Karohemd fotografieren lassen und seine Nirvana-Sumpfabende literarisch Revue passieren lassen – aber stelle sich einer hin und sage, er habe damals zeitweise Biohazard, Such A Surge oder gar DBase5 gehört. Das darf man nicht schreiben, das kauft die Generation Neon nicht.

Rage Against The Machine waren für viele die Einstiegsdroge in diese fürchterliche Stilschublade. Aber im Vergleich zu jenen grausigen Namen, die in ihrem Windschatten folgten, beherrschten sie die Vermischung aus Rap, einem eher dem rauen HipHop entlehnten Drumsound und diesen wuchtigen Riffs, die man eher Mitspringen denn Nachmoshen wollte. Und dann war da noch natürlich noch die Attitüde des Rebellen, der gegen ein System wütet, dass er insgeheim perfekt zu nutzen wusste. Ersteres passte gut in die Renitenz der Pubertät, letzteres war einem damals noch nicht so wirklich bewusst. Hey, hier war immerhin eine Band, die Menschenrechtsorganisationen und NGOs im Booklet hatte – da war es doch völlig egal, wie und mit wem die jetzt ihre Platte an den Mann bringen. Ob per Majorlabel oder nicht – who cares? Und war ihre Argumentation, möglichst viele Menschen zu erreichen, statt das szeneübliche „preaching to the converted“ zu betreiben, nicht logisch nachvollziehbar?

Trotzdem nervten einen natürlich die Randerscheinungen, die der Mainstreamerfolg ihres Debüts so mit sich brachte. So war es zum Beispiel kein Gerücht, dass es Leute gab, die den Che Guevara auf dem wohl meist verbreiteten RATM-Shirt für Sänger Zack de la Rocha hielten. Einen davon gab es in der 9 b. Auch hatte ihr Sound Abnutzungserscheinungen, weil er sich zu sehr in den Trademarks festbiss und über die Jahre und Alben wenig Neues hinzufügte. Irgendwann waren selbst Tom Morellos Störfeuergitarrenriffs abgegriffen, nervte de la Rochas hochnäsige Politpreacherpose, hatte man sich an der muskelbebackten Performance der – ich sag ma – „tighten“ Rhythmusfraktion satt gesehen. Von daher war es keine schlechte Entscheidung, sich erst einmal aufzulösen.

Tja, und jetzt steht man hier im sicheren Abstand der letzten Jahre, und konnte schon bei den ersten Reuniongigs vor zwei Jahren bemerken, dass den Herren die Pause gut getan hat – und vielleicht auch die Tatsache, dass sie sich gar nicht erst an neuen Songs probieren. Der Auftritt beim Rock am Ring und beim Reading Festival 2008, die der Autor dieser Zeilen beide live sehen konnte, ließen einen mit der Gewissheit zurück, dass die wohl kommerziell erfolgreichsten Antikapitalisten was tun für ihr Geld und live doch tatsächlich nicht viel Energie eingebüßt haben. Als beim Rock am Ring in den ersten Reihen bengalische Feuer gezündet wurden und plötzlich jemand in den hinteren Reihen eine Pommesbude erklomm und vor den Augen der verdutzten Umstehenden vom Dach in die Menge divte, da wusste man plötzlich, warum man damals auf dem Pinkpop 1996 schon nach vier Liedern Mit- bzw. Hitspringen schon gar nicht mehr auf den Beinen stehen konnte. Und die Sache mit dem Crossover erschien einem nur halb so peinlich.

Von daher kann man eigentlich nur jedem, der seine Crossoveralben verschämt verscherbelt hat, ruhig mal nahe legen, einen Blick auf die am letzten Freitag erschienene 5-CD-Box von Rage Against The Machine zu werfen. Die hochwertige Sammlerbox beinhaltet die vier Studio-Alben „Rage Against The Machine“ (1992), „Evil Empire“ (1996), „The Battle Of Los Angeles“ (1999) und das Cover-Album „Renegades“ (2000) sowie eine grandiose Live-CD „Live At The Grand Olympic Auditorium“. Das funktioniert prima als nostalgischer Rückblick oder auch als Geschenk für den kleinen 14jährigen Chili-Peppers-hörenden Cousin – bei letzterem aber bitte den Warnhinweis hinzufügen, von anderen Crossover-Vertretern (ausgenommen vielleicht Downset und dem „Judgement Night“-Soundtrack) Abstand zu nehmen.

Wir verlosen 5 Exemplare der Box. Wer eine haben will, der schreibe eine Mail an verlosung@www.rollingstone. Bitte die Postadresse und im Betreff das Stichwort „RATM“ angegeben.

Wir werden derweil auch beim Rock am Ring vor der Bühne stehen und mal schauen, ob die Herren es dann immer noch bringen.

Und hier noch eine kleine Zeitreise:
Rage Against The Machine – „How I Could Just Kill A Man“

Rage Against The Machine – „Bullet In The Head“ (live)

Rage Against The Machine – Vietnow live (live)

Rage Against The Machine – Killing In The Name Of (live)

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